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Elektrisch durch die Alpen

Mit dem Premium-Elektromotorrad Zero SR/F fünf Tage lang auf Tour. Erfahrungen mit einer neuen Form der Mobilität.

Letzte Kehre vor der Edelweißspitze, dem höchsten Punkt der Großglockner Hochalpenstraße.
Letzte Kehre vor der Edelweißspitze, dem höchsten Punkt der Großglockner Hochalpenstraße.
Zero SR/F am Timmelsjoch auf 2509 Metern.
Zero SR/F am Timmelsjoch auf 2509 Metern.
Zeller See inmitten der Alpen.
Zeller See inmitten der Alpen.
Armin Hoyer auf der Zero SR/F am Sellajoch.
Armin Hoyer auf der Zero SR/F am Sellajoch.

Wenn man mit einem Elektromotorrad erstmals eine Reise durch die Alpen tut, ist dies ein beeindruckendes Erlebnis der ganz besonderen Art. Die Annehmlichkeiten der nahezu lautlosen und vollkommen abgasfreien Fortbewegung vereinen sich mit einer nie zuvor dagewesenen Fahrdynamik. Ich machte mich mit der Zero SR/F, dem rein elektrisch angetriebenen Streetfighter des kalifornischen Elektromotorradpioniers und Weltmarktführers Zero Motorcycles, Anfang September fünf Tage lang auf den Weg. Es galt herauszufinden, ob eine längere Reise durch die Alpen mit einem Elektromotorrad schon problemlos möglich ist und dabei auch noch Spaß machen kann. Gleich vorweg, die Frage kann ich nach über 900 Kilometern unterwegs auf diesem E-Bike eindeutig mit Ja beantworten. Beachtet man einige Besonderheiten des "elektrischen" Reisens, steht dem Fahrvergnügen nichts im Wege.

Die Reise führte mich zu Beginn auf die Ötztaler Gletscherstraße. Auf 2830 Metern Seehöhe erreichte ich den höchsten asphaltierten Punkt der Alpen. Diese überquerte ich dann in südlicher Richtung über das Timmelsjoch und zurück auf der Großglockner Hochalpenstraße. Dazwischen lagen einige Pässe in den italienischen Dolomiten und der mondäne Wintersportort Cortina d'Ampezzo. Tagesetappen von 170 bis 180 Kilometern waren ohne Ladestopp zu bewältigen. Mit der serienmäßigen Ladeleistung von 6 kW in der Premiumversion lässt sich darüber hinaus die Reichweite der Zero SR/F an einer Typ-2-Ladestation mit 22 kW in einer Stunde um 90 Kilometer erhöhen, was problemlos in einer Mittagspause zu bewerkstelligen ist. Optional kann die Ladeleistung mit einem eingebauten Zusatzladegerät auf 12 kW erweitert werden, womit in einer Stunde wieder voll aufgeladen werden kann (0-95%). Vorausgesetzt, man führt das richtige Ladekabel mit sich, da in Österreich und Italien dieser Ladesäulentyp im Gegensatz zu Deutschland nicht mit fix verbundenen Ladekabeln ausgestattet ist. Das Netz der Typ-2-Ladestationen mit 22 kW ist in den Tiroler Alpen und Südtiroler Dolomiten schon so weit ausgebaut, dass es hier zu keinen Einschränkungen aufgrund der Verfügbarkeit kommt. Idealerweise plant man die Ladestopps schon im Vorfeld der Reise zu Hause am Computer, eine App am Smartphone navigiert einen unterwegs direkt zur nächsten freien Stromtankstelle.

Da ich kein 6-kW-fähiges Ladekabel mit auf der Tour hatte, steuerte ich zwei Mal die wesentlich weniger verbreiteten Typ-2-Ladestationen mit 43 kW an. Diese verfügen auch in Österreich und Italien über ein fest montiertes Ladekabel und ermöglichten mir Schnellladen mit 5,7 kW. Das funktionierte sehr gut, auch wenn ich zum Freischalten der Ladesäule in Südtirol aufgrund der fehlenden Ladekarte die Hotline des Betreibers bemühen musste. Wenn man mit 170 bis 180 Kilometern pro Tag das Auslangen findet, ist es am bequemsten, nur über Nacht an einer Schukosteckdose in der jeweiligen Unterkunft zu laden. Eine Vollladung mit knapp 3 kW Ladeleistung dauert vier Stunden. Ich hatte dafür ein eigenes Ladekabel im Gepäck und nutzte drei Mal diese Möglichkeit.

Der stufenlose und nur von einem leichten Surren begleitete Antrieb der Zero SR/F funktioniert ganz ohne Kuppeln und Schalten. Die konzentrische Anordnung von Elektromotor und Schwingachse hält den Antriebsriemen dabei stets gleichmäßig gespannt und ermöglicht so die optimale Übertragung des beachtlichen Drehmoments auf das Hinterrad. 190 Newtonmeter stehen ab der ersten Motorumdrehung zur Verfügung, ermöglichen vollkommen gleichmäßige, ruckelfreie Beschleunigung und phänomenalen Durchzug über das gesamte Drehzahlband. Damit werden die engen Kehren der Alpenpässe auch bei viel Verkehr zum Vergnügen, da es nicht mehr notwendig ist, das Bike durch häufiges Gangwechseln auf Drehzahl zu halten. Beim Fahrwerk und damit der Straßenlage unterscheidet sich die SR/F kaum von benzinbetriebenen Premium-Naked-Bikes. ABS und Traktionskontrolle sind auch hier Standard. Der durch die Lage des Akkus gegebene tiefe Schwerpunkt macht den E-Streetfighter im unteren Geschwindigkeitsbereich sogar noch etwas handlicher. Die Spitzenleistung von 82 kW/110 PS beschleunigt das für diese Leistungsklasse mit 220 Kilogramm sehr leichte E-Bike mühelos auf die elektronisch abgeregelte Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h. Die 100-km/h-Marke ist in unter vier Sekunden erreicht. Die Reichweitenangabe ist in den Bergen durch die großen Höhenunterschiede etwas trügerisch. So fühlte ich mich auf dem Weg von Bozen nach St. Ulrich in Gröden mit der Prognose vermeintlich sehr sicher. Da neben der reinen Distanz aber auch die zu überwindenden eintausend Höhenmeter maßgeblich waren, kam ich dort oben mit einer Restreichweite von nur vier Kilometern an. Nach einer Tagestour von 172 Kilometern inklusive Überquerung des Timmelsjochs auf 2509 Metern Seehöhe und ohne Ladestopp zweifelsohne ein sehr guter Wert, aber doch mit etwas Zittern auf den letzten Metern.

Der Hersteller gibt laut EU-Norm eine durchschnittliche Reichweite von 157 Kilometern an. Wie ist dann so eine beachtliche Reichweite in den Alpen bei einer zusätzlichen Überwindung von 3000 Höhenmetern möglich? Das Zauberwort heißt "Rekuperation". Diese fühlt sich wie die Motorbremswirkung bei einem Verbrenner an und führt Energie in den 14,4-kWh-Lithium-Ionen-Akku der Zero SR/F zurück. Im Eco-Modus ist diese Energierückgewinnung am größten und kann durch vorausschauende Fahrweise noch zusätzlich gesteigert werden, indem man die Bremsen selbst möglichst wenig betätigt. Von der Fahrdynamik her hat der Eco-Modus seinen Namen nicht verdient. Die Höchstgeschwindigkeit ist zwar auf 120 km/h beschränkt, bei Beschleunigung und Durchzug sind Einschränkungen gegenüber dem Street- und Sportmodus aber nur wenig spürbar. Ein Elektromotorrad lädt generell zum genussvollen Dahingleiten ein. Daher habe ich es als keinerlei Nachteil empfunden, nicht ständig die vollen Leistungsreserven auszuschöpfen, was im Sportmodus freilich möglich ist. Da bewegt man sich dann aber sehr schnell außerhalb des gesetzlich erlaubten Geschwindigkeitsbereichs und das Vergnügen kann nach weniger als 100 Kilometern aufgrund eines geleerten Akkus zu Ende sein.

Zum Autor:
Armin Hoyer ist freier Journalist, Blogger und Digital Content Creator. Er reist und testet Zweiräder in Österreich, Italien, Frankreich, Spanien und berichtet auf seinem Blog arminonbike.com und in weiteren (sozialen) Medien darüber.

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