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Abs - der Anfang der Autonomie

Das Antiblockiersystem ist heute selbstverständlich. Vor 40 Jahren gab es sein Debüt: In der S-Klasse von Mercedes gegen hohen Aufpreis.

ABS-Fortsetzung: Erste ESP-Tests 1994 im S-Klasse-Coupé.
ABS-Fortsetzung: Erste ESP-Tests 1994 im S-Klasse-Coupé.

ABS ist eines der frühesten Fahrassistenzsysteme. Es trug erheblich zur Steigerung der aktiven Sicherheit von Kraftfahrzeugen bei: Bei Vollbremsung gab es keine blockierenden Räder mehr, die Bremswege wurden kürzer, ein Ausbrechen aus der Spur gab es auch nicht mehr - das Fahrzeug blieb lenkbar, konnte also Hindernissen ausweichen.

Vor 40 Jahren, 1978, bot Mercedes-Benz das erste Bosch-ABS in einer S-Klasse gegen einen hohen Aufpreis an. Heute ist das System längst Standard.

Das ABS hielt sich aber nicht lang mit seiner eigentlichen Kernaufgabe auf. Es wuchs über seine ursprüngliche Rolle des elektronisch geregelten Verhinderns des Blockierens mithilfe von Sensoren, Rechnern, Algorithmen und Aktuatoren hinaus. Es wurde zur Keimzelle der heutigen Fahrassistenzsysteme.

Erstes Beispiel war der Schleuderverhinderer, das ESP-System, das 1995 von Mercedes-Benz (Armin Müller) und Bosch (Anton van Zanten) entwickelt wurde und ebenfalls gegen einen hohen Aufpreis in ein S-Klasse-Coupé einzog. Kurze Zeit später folgte BMW mit dem 7er.

Was damals unter der Decke gehalten wurde: Das Mercedes-Benz/Bosch-System regelte alle vier Räder, das BMW/Bosch-System nur die Hinterachse. Das war den Münchnern peinlich, wurde schnell geändert.

Auf dem ABS der 1970er-Jahre basieren heute viele Fähigkeiten moderner Autos, die man nicht unmittelbar mit der Bremse zusammenbringt.

Hier einige Beispiele, die nach dem ESP und der Traktionskontrolle Antriebsschlupfregelung (ASR) dazukamen und heute Standards werden: Die automatische Abstandsanpassung (ACC), die aktive Spurhaltung, der Notbremsassistent und andere Systeme wie die elektronische Differenzialsperre, das Torque Vectoring und die Downhill-oder Hillholder-Systeme. Auf dem Weg zum autonomen Fahren werden weitere dazukommen wie die automatische Anpassung der Geschwindigkeit an die auftauchende, aber noch unsichtbare Verkehrssituation.

Wie schlicht klingt dagegen doch das, womit vor 40 Jahren alles begann: Das ABS, das beim Bremsen aktiv eingreift. Droht das Rad zu blockieren, löst eine elektronische Steuereinheit in Sekundenbruchteilen und hoher Frequenz die Bremse und zieht sie wieder an. Dadurch wird die Phase des Rutschens auf der Fahrbahn verkürzt.

Ein rutschendes Fahrzeug ist nicht beherrschbar. Der Bremsweg wächst und niemand kann sagen, wohin der Bremsweg führt. Es ist aber wichtig, das Fahrzeug bei einer Gefahrenbremsung oder einer Verzögerung auf glattem Untergrund lenkbar zu halten und dem Fahrer so ein Ausweichmanöver zu ermöglichen.

Diese Technologie arbeitet äußerst zuverlässig und effizient in Pkw und Lkw. Aber auch für Motorräder und neuerdings auch Pedelecs gibt es Systeme, die ein Blockieren der Räder beim Bremsen und sogar schon ein Ausbrechen verhindern.

Mit voller Überzeugung unterstützt Kurt Bodewig, Präsident der Deutschen Verkehrswacht und Bundesminister a. D., das ABS und seine Enkel: "Das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs erfordert viel Können. Elektronische Systeme können den Fahrer zuverlässig unterstützen und tragen somit dazu bei, die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen. Wir empfehlen jedem Autofahrer, bei einem Neukauf die für die individuelle Sicherheit wichtigen Assistenten mitzuordern - im Zweifel kann damit ein Unfall verhindert werden."

So ein Statement legt die Vermutung nahe, die Geschichte des ABS im Auto sei ungebrochen positiv verlaufen. So war es allerdings nicht von Anfang an.

Bis in die 2000er-Jahre hinein litt ABS unter einem Versuch, dessen Ergebnis in die aufkommende Technikfeindlichkeit der 1980er-Jahre passte.

In München hatte eine Beobachtung von 50 Mercedes-Taxis ergeben, dass deren Fahrer dennoch im Winter Unfälle bauten. Das wurde dem Übermut zugeschrieben, der zwangsläufig entstehen müsse, wenn solch ein Unfallvermeidungssystem den Fahrer in Sicherheit wiege.

Später meldete sogar das Insurance Institute for Highway Safety (IIHS) in den USA Zweifel am ABS an, weil das System dem Fahrer erlaube, einem Hindernis in den Gegenverkehr auszuweichen. Es dauerte Monate, bis sich die IIHS-Experten selbst davon überzeugt hatten, wie sehr sie sich irrten.

Auch ABS hat Nachteile. Lose Massen wie Sand, Schotter oder Schnee erlauben keine Haftung, weil für Reifen und System nichts da ist, sich zu verkrallen. Auch im Gelände spielt ein Straßen-ABS nicht gut mit. Dennoch ist ein Streit ums ABS sinnlos, weil die Systeme weiterentwickelt und spezialisiert werden.

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