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Akku-Mythen im Faktencheck

Über die "Gesundheit" eines Lithium-Ionen-Akkus entscheiden zahlreiche Faktoren. Der Mitgründer des Start-ups Aviloo verrät im SN-Gespräch, wie man E-Auto-Batterien gut behandelt.

Nikolaus Mayerhofer (l.) und Wolfgang Berger, die beiden Gründer des Akku-Start-ups Aviloo.
Nikolaus Mayerhofer (l.) und Wolfgang Berger, die beiden Gründer des Akku-Start-ups Aviloo.

Die Angst vor vorzeitig alternden Lithium-Ionen-Akkus und dem damit einhergehenden Reichweitenverlust hält viele Menschen derzeit noch davon ab, ein Elektroauto zu kaufen. Exakt darauf basiert die Geschäftsidee der Gründer des Unternehmens Aviloo. Das 2017 gegründete Start-up hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine objektive und herstellerübergreifend vergleichbare Ankaufsüberprüfung für Elektroautos zu entwickeln. Dabei wird ein Zertifikat ausgestellt, das den Zustand der Batterie seriös beurteilt. Da der Akku bei E-Autos gut die Hälfte des Fahrzeugwerts ausmacht, lässt sich dadurch der Wiederverkaufswert gebrauchter Elektrofahrzeuge ermitteln.

Herr Mayerhofer, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren professionell mit Batterien. Wie begründet sind die Vorbehalte, die viele Skeptiker gegenüber den Akkus von E-Autos haben? Nikolaus Mayerhofer: Ich muss sagen, dass wir von der Elektromobilität begeistert sind. Lithium-Ionen-Akkus sind eine zukunftsträchtige Technologie. Wir haben bereits über 300 Autos erforscht, bei keinem einzigen kam es zu einem plötzlichen Kapazitätsabfall. Was wir allerdings sehr wohl beobachten, ist, wie unterschiedlich schnell Akkus Kapazität (und somit Reichweite) verlieren, wenn diese durch ihre Besitzer "unterschiedlich" behandelt werden. Alter und
Kilometerstand sind bei Weitem keine ausreichenden Indikatoren für den Batteriezustand.

Bei konventionell angetriebenen Fahrzeugen kennt man eine Reihe von "Regeln", die man einhalten sollte, damit der Motor möglichst lang hält - etwa das klassische "Warmfahren" nach dem Start. Gibt es Ähnliches auch fürs Elektroauto? Absolut! Insgesamt gibt es vier Faktoren, die darüber entscheiden, wie schnell der Akku altert - wie schnell er also wie viel seiner Kapazität einbüßt. Neben der Temperatur ist das auch der Ladezustand in Kombination mit der Zeit sowie die Lade- und Entladerate. Der größte Unterschied zu einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor: Bei einem E-Auto, das ein Jahr voll aufgeladen in der Garage gestanden ist, altert der Akku praktisch gleich schnell wie bei einem, das im selben Zeitraum 20.000 Kilometer gelaufen ist.

Wie ist das möglich? Am wohlsten fühlen sich Lithium-Ionen-Akkus in einem Ladezustand von 30 bis 50 Prozent der Gesamtkapazität. Wie schnell ein Akku altert, entscheidet ganz wesentlich die Verweildauer außerhalb dieses "Wohlfühlbereichs". Dasselbe gilt übrigens für die Akkus unserer Smartphones: Nicht etwa das Aufladen auf 100 Prozent oder Ausnutzen der Kapazität bis auf null Prozent ist schlecht für den Energiespeicher, sondern vielmehr die Dauer, wie lange der Ladezustand in diesen Extremen bleibt. So ist beispielsweise die Nutzung eines Schnellladers an der Autobahn weniger schädlich, als den Energiespeicher ganz langsam in der eigenen Garage aufzuladen und dann mehrere Tage am Stecker hängen zu lassen.

Dennoch empfehlen die Autohersteller, Schnelllader möglichst selten zu verwenden. Das ist auch absolut richtig so. Das Schnellladen ist aus Sicht der Lebensdauer des Akkus nur bei Langstrecken sinnvoll. Ansonsten gilt: Den Akku immer nur dann laden, wenn notwendig. Und so langsam wie möglich.

Und folglich nicht bis 100 Prozent. Das hängt davon ab, ob ich sofort die gesamte Reichweite des Fahrzeugs brauche. Reichen etwa 50 Prozent, so sollte ich nicht weiter laden. Bei den meisten Marken sind
100 Prozent in Wahrheit ohnehin nur rund 90 Prozent, da zehn Prozent Sicherheitspuffer einkalkuliert werden, um den Akku zu schonen. Das gleiche gilt am anderen Ende: Wenn null Prozent angezeigt wird, ist der Akku nicht vollständig leer.

Sie haben die Temperatur als ersten Faktor genannt. Wo liegt hier der Wohlfühlbereich der Akkus? Da muss man unterscheiden: Bei der Lagerung sind zehn bis 15 Grad Celsius optimal. Beim Aufladen gelten je nach Hersteller zwischen 30 und 35 Grad als Richtwert. Je mehr und je länger der Akku von diesen Bereichen entfernt ist, desto schlechter. Einmal Supercharger ist deshalb nicht weiter schlimm. Aber das Auto tage- oder wochenlang vollgeladen am Stecker hängen zu lassen, sehr wohl.

Ist es demnach empfehlenswert, beim Kauf darauf zu achten, dass ein E-Auto ein System fürs Temperaturmanagement eingebaut hat? In den meisten Fällen ja. Noch wichtiger ist allerdings die Möglichkeit, die Ladedauer und den maximalen Ladezustand definieren zu können. Grundsätzlich sind die Faktoren, über die der Fahrer entscheidet, viel wichtiger als die eigentliche Hardware.

Sie kritisieren das übermäßige Rekuperieren im E-Auto, also das Fahren ausschließlich mit dem Gaspedal. Warum? Weil es extrem schwer ist, am Gaspedal den Druckpunkt zu finden, bei dem der Akku weder lädt, noch Energie abgibt. Man muss wissen: Der Wirkungsgrad der Rekuperation ist äußerst gering. Umweltfreundlicher ist es, möglichst oft
"zu segeln" und nur dann zu bremsen, wenn man wirklich muss. Vorausschauend fahren zahlt sich auch mit E-Motor aus.