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Altautos als Umweltkatastrophe

Illegaler Altfahrzeuge-Export aus der EU nach Afrika und Asien. Während Neuwagen immer sauberer werden, sorgen unsere Schrottautos andernorts für massive Probleme.

Jedes Jahr verschwinden Millionen von schrottreifen Altfahrzeugen von Europas Straßen in Richtung Afrika. Und werden dort zum Umwelt- und Sicherheitsproblem.
Jedes Jahr verschwinden Millionen von schrottreifen Altfahrzeugen von Europas Straßen in Richtung Afrika. Und werden dort zum Umwelt- und Sicherheitsproblem.

Die gute Nachricht: Neuwagen werden immer sauberer - zumindest, wenn es um die gesetzlich festgestellten Emissionen geht. Das wahre Umweltproblem der europäischen Autoindustrie lauert allerdings am anderen Ende des Lebenszyklus moderner Pkw. Bereits seit Jahrzehnten verschwinden jährlich Millionen von Altfahrzeugen aus Europa, aber auch den USA und Japan. Wie eine aktuelle Untersuchung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) ergibt, wurden zwischen 2015 und 2018 weltweit rund 14 Millionen gebrauchter Pkw exportiert. 80 Prozent davon landen in Entwicklungsländern, vor allem in Afrika und Asien. Die Hälfte dieser illegal verschifften Fahrzeuge stammt aus der EU.

Was auf den ersten Blick wie eine vernünftige, ja sogar nachhaltige Weiterverwertung existierender Autos wirkt - immerhin erleben ältere Gebrauchte so einen "zweiten Frühling" in Märkten, wo günstige Fortbewegungsmittel dringend gebraucht werden -, ist leider eine umweltpolitische Katastrophe. Da es für den Handel mit Altfahrzeugen keine internationalen Regeln gibt, werden überwiegend solche Autos via Rotterdam oder Hamburg nach Übersee verschifft, welche die europäischen Sicherheits- und Umweltstandards nicht mehr erfüllen. Die überwiegende Mehrheit der Fahrzeuge hat laut UNEP zudem keine gültige Zulassung mehr. Das Problem: In den meisten afrikanischen sowie einigen asiatischen Staaten dürfen solche Fahrzeuge aber noch eingesetzt werden. Und so stinkt Europas rollender Schrott auf anderen Kontinenten ungehindert weiter. Laut Studie werden beispielsweise nach Nigeria, Guinea und Gambia vor allem Pkw verkauft, die zwischen 16 und 20 Jahre alt sind, überwiegend nicht mehr fahrtauglich sind und somit ein enormes Sicherheitsrisiko darstellen. Auch mit der Nachhaltigkeit ist es nicht weit her: Im Durchschnitt endet das "zweite Leben" bereits nach wenigen Monaten in irgendeinem Straßengraben, da vor Ort die Infrastruktur für eine ordnungsgemäße Entsorgung fehlt.

Aus Umweltgründen, aber nicht zuletzt auch aus handfesten wirtschaftlichen Interessen, ist man hierzulande darum bemüht, die Quote der korrekt verwerteten und damit dem Recyclingprozess zugeführten Fahrzeugen massiv zu erhöhen. Allein zwischen 2015 und 2018 entgingen der europäischen Industrie so acht Millionen Tonnen Eisen- und Buntmetalle sowie hochwertige Kunststoffe. In einem offenen Brief an die EU-Kommission, das Umweltministerium und die Wirtschaftskammer erstellte Manfred Födinger, Geschäftsführer von Scholz Austria, dem Marktführer für Metallrecycling und die Verwertung von Altfahrzeugen in Österreich, einen Forderungskatalog für die 2021 anstehende Revision der europäischen Altfahrzeugrichtlinie. Die meisten enthaltenen Vorschläge werden so von der österreichischen Recyclingwirtschaft seit Jahren wiederholt dringend eingefordert.

Allen voran eine verpflichtende Deregistrierung von Autos - im Unterschied zur temporären Stilllegung -, gekoppelt an den Nachweis einer Verwertung; europaweit könnte das zu einer deutlichen Verbesserung der Nachverfolgung von Altfahrzeugen führen. Auch von einer ordentlichen Abgrenzung der Begriffe "Gebrauchtwagen" und "Altfahrzeug" ist man auf europäischer Ebene noch weit entfernt. In Österreich geht man hier bereits seit mehreren Jahren einen Sonderweg. So entscheiden drei Parameter darüber, ob das Auto eine sogenannte Reparaturbescheinigung erhält - und damit vor dem Gesetz als Gebrauchtwagen gilt - oder offiziell als Abfall einzustufen ist: Zulassungsfähigkeit, Betriebsbereitschaft und bestimmungsgemäßer Gebrauch. "Das österreichische System könnte bei der Etablierung eines digitalen An- und Abmeldesystems für die gesamte EU als Vorbild dienen", ist auch Walter Kletzmayr, Geschäftsführer des österreichischen Shredderverbands, überzeugt.