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Audi-Chef zur Trendwende bei Kunden und Dieselaffäre

Audi-Chef Rupert Stadler über die aktuelle Problematik zu den regionalen Fahrverboten und die Schwierigkeit, einen Reputationsverlust wiedergutzumachen.

CEO Rupert Stadler mit dem neuen A6.
CEO Rupert Stadler mit dem neuen A6.
Mobilität horizontal und vertikal von Audi, Italdesign und Airbus.
Mobilität horizontal und vertikal von Audi, Italdesign und Airbus.

Rupert Stadler erlebt als Audi-Vorstandschef keine leichten Zeiten - zeigt sich im SN-Interview in Genf aber optimistisch.

Wie groß war der Schock nach dem Urteil über die Zulassung regionaler Fahrverbote? Änderten Sie darauf Ihre Strategie? Rupert Stadler: Wir akzeptieren natürlich das Ergebnis. Die Städte haben das Fahrverbot als Ultima Ratio nun wieder in ihrer Hand. Wenn andere Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft nicht greifen, sind die Städte aufgerufen, nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abzuwägen. Der Diesel ist weiterhin eine wichtige Antriebstechnologie, und wir werden sie mit der Norm Euro 6d weiter verbessern. Wir brauchen den Diesel zur Erfüllung der CO2-Ziele.

Sehen Sie eine Trendwende bei den Kunden? Die Dieselverkäufe sind ja rückläufig? Ich sehe unsere Auftragsbücher. Für die Kunden ist der Diesel nach wie vor interessant: Das zeigt ein 80-Prozent-Anteil in manchen Märkten. Viele sagen: Die Reichweite ist einzigartig, der Verbrauch niedrig, das Drehmoment ausgezeichnet - also der Diesel passt! Da hat sich nicht viel geändert. Was sich geändert hat, ist die Aufregung um die Fahrverbote. Noch einmal: Das Urteil sagt, dass in gewissen Fällen einzelne Straßen gesperrt werden können. Es geht nicht um ganze Innenstädte. Deshalb plädiere ich für eine sachliche Diskussion ohne Emotionen und politisches Kalkül.

Wenn der "Auto-Professor" Ferdinand Dudenhöffer sagte, der Diesel ist in vier bis fünf Jahren verschwunden … … dann sage ich: Treffen wir uns gern in vier, fünf Jahren, und ich werde ihm zeigen, wo wir stehen! Die Diskussion wird sich versachlichen. Die Alternative wäre, dass alle auf das E-Auto aufspringen. Aber das ist nicht machbar. Wir haben eine technologische Übergangsphase für mindestens die nächsten zehn Jahre zu gestalten. Da werden ältere Technologien zurückgehen und neuere zulegen. E-Modelle werden im Markt deutlich sichtbarer werden. Und die neuesten Technologien werden nach und nach in alle Segmente Eingang finden. E-Mobilität muss zunächst einmal Fuß fassen. Wenn sich die Vorzüge herumsprechen, wird sie attraktiver, wird sie "Talk of the Town". Aber so weit sind wir noch nicht.

Wie hoch schätzen Sie Mehrkosten für Kunden von Dieselautos durch die neueste Abgasregelung ein? Wir haben in den vergangenen Jahren viel in die Technik investiert und werden dies auch weiter tun, nicht nur beim Diesel. Es kommen deutlich verschärfte Grenzwerte auf uns zu, auch was die Realemissionen betrifft. Wir versuchen durch Effizienzprogramme die höhere Belastung in Grenzen zu halten. Aber das hat alles seinen Preis. Fakt ist: Mobilität wird teurer und wertiger: autonomes Fahren oder eine Vielzahl von Assistenzsystemen, das alles trägt dazu bei.

Ist Hardware-Aufrüstung Thema? Wir brauchen Lösungen, die schnell greifen. Und die erzeugen wir durch neue Software, mit der wir 20 bis 30 Prozent Reduktion von Stickoxid-Emissionen bei Euro-5-Motoren erzielen können. Je schneller wir diese Updates umsetzen, desto schneller wird es einen positiven Effekt für die Städte geben. Eine schnelle Hardware-Nachrüstung, wie sie aktuell diskutiert wird, wäre ein Umbau ohne Erprobung und ohne gesamthafte Integration.

Wie sehr hat die Dieselaffäre Audi geschadet? Das ist eine schwierige Frage. Sie hat uns wehgetan. Die Frage ist, wie schnell können wir einen Reputationsverlust korrigieren? Wir brauchen viel Energie und müssen unseren Fokus am besten auf tolle Produkte mit großem Kundenwert richten. Unsere Kundschaft ist loyal. Dafür bin ich sehr dankbar. Wir setzen auf Transparenz und werden die gemachten Fehler abarbeiten. Dann dürfen wir wieder mit Selbstbewusstsein nach vorn blicken.

Fürchten Sie ein Einbrechen des US-Markts, wenn tatsächlich Zölle kommen? Ich verfolge die Diskussion dazu intensiv. Es gibt auch schon Gegenströmungen innerhalb der USA. Ich bereite mich auf Basis von Fakten vor, nicht auf Basis von Spekulationen. Fakt ist, wir wollen in Nordamerika weiterhin wachsen. Wir haben uns für die Fertigung des Audi Q5 in Mexiko entschieden, auch in Sorge um den Dollarkurs. Über Zölle mache ich mir noch keine Sorgen. An einem Handelskrieg kann niemand Interesse haben. Audi geht es in den USA sehr gut. Wir haben im letzten Jahr 226.000 Automobile verkauft und wollen weiter wachsen. Mit dem Händlernetz sind wir sehr zufrieden. Der Audi Q7 hat tolle Resonanz. Von der ersten Generation haben wir in den USA 12.000 Einheiten verkauft, jetzt sind wir mit der neuen Generation bereits bei 38.000 Stück. Auch der Q5 läuft gut, er besitzt Eroberungspotenzial. Wir wachsen seit 86 Monaten in den USA.

Audi musste in Österreich zuletzt deutliche Rückgänge hinnehmen. Warum? Ich verfolge den österreichischen Markt sehr intensiv. Wir hatten dort noch nie einen so harten Wettbewerb. Ich bin der Ansicht, man darf ein tolles Produkt nicht unter Wert verkaufen. Volumen allein ist nicht alles, es geht um profitables Geschäft. Wir kommen jetzt mit so vielen neuen Modellen wie Audi A7, A6, Q8, Q3 - das macht uns für Kunden hochattraktiv.

Können Sie bestätigen, dass Audi auch 2019 am Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) teilnehmen wird? Wir fahren heuer und entscheiden am Ende der Saison. Wir wurden durch die Entscheidung eines Partners überrascht (Mercedes-Ausstieg Ende 2018, Anm.). Es gibt Gespräche mit anderen Herstellern, die warten wir ab. Aber als sportliche Marke muss man für die Kunden auch Motorsport anbieten.

Hilft die Teilnahme an der Formel E der Serienproduktion? Auf jeden Fall. Wir eignen uns neue Kompetenzen an. Für die Mannschaft selbst war die Entscheidung, nicht mehr nach Le Mans zu gehen, hart. Aber dass wir dafür in die Formel E unsere Zukunftstechnologie einbringen - da hat es bei vielen "Klick, klick" gemacht! Wir sehen uns wieder als Vorreiter. Das Rennen um die Zukunft tragen wir elektrisch aus.