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Auf dem richtigen Weg: Der autonom fahrende "Digibus"

Beim Projekt "Digibus® Austria" arbeiten Forschungseinrichtun- gen und Unternehmen zusammen, um Methoden und Technologien für autonom fahrende Kleinbusse zu erproben.

Professor Alexander Meschtscherjakov (l.) und Doktorand Alexander Mirnig.
Professor Alexander Meschtscherjakov (l.) und Doktorand Alexander Mirnig.

Dieses sogenannte Leitprojekt wird von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft finanziert. Partner aus ganz Österreich sind daran beteiligt. Aus Salzburg forschen Salzburg Research, Commend International und das Center for Human- Computer Interaction der Paris Lodron Universität Salzburg daran. Universitätsprofessor Alexander Meschtscherjakov und Doktorand Alexander Mirnig beschäftigen sich dabei mit der Interaktion zwischen Menschen und autonomen Fahrzeugen.

Wie soll der Digibus funktionieren?

Sie sprechen in das Mikrofon am fahrerlosen Kleinbus: "Nach Koppl bitte." Aus dem Lautsprecher kommt die Antwort des Computers: "Lösen Sie Ihr Ticket und steigen Sie ein. Der Bus fährt in fünf Minuten ab." Sie erhalten das Busticket über eine App auf Ihrem Smartphone. Über einen Touchmonitor bekommen Sie dann Hinweise über die Fahrzeit, weitere Anschlussmöglichkeiten etc. Sie setzen sich auf Ihren reservierten Sitzplatz. Nach ein paar Minuten - der Kleinbus mit insgesamt
sechs Sitzplätzen ist mittlerweile voll - fährt der Bus ab und das ganz autonom,
ohne Busfahrer. Kurz vor der nächsten Haltestelle werden Sie über eine automatische Ansage informiert, dass es nun Zeit ist auszusteigen.

Zukunftsmusik oder schon Realität?

"Beinahe Realität", sagt Alexander Meschtscherjakov. Er ist gemeinsam mit Alexander Mirnig, der in Kürze seine Dissertation abschließt, seitens der Uni Salzburg am "Digibus"-Projekt beteiligt. Schon seit 2018 wird der Kleinbus getestet. "In erster Linie ist daran gedacht, im ländlichen Raum einen Shuttle zur Verfügung stellen zu können, der die Fahrgäste von der Bundesstraße in den Ort bringt. Wir proben das unter anderem in der Gemeinde Koppl", erläutert Meschtscherjakov. Dort könnte sich ein automatisierter Zubringer sehr gut eignen, meint der Wissenschafter. Noch wird der Bus auf Stufe drei der technischen Skala eingestuft. Das bedeutet, dass er noch nicht vollautomatisiert und autonom fährt. Es ist ein sogenannter Operator notwendig, also eine Person, die die einzelnen Abläufe des Busfahrens überprüft und bestätigt. An den Voraussetzungen für die Stufen vier bis fünf, die Hoch- bzw. Vollautomatisierung - wie im Beispiel geschildert -, wird derzeit geforscht. Im Zentrum der wissenschaftlichen Untersuchungen steht das Fahrgasterlebnis im autonomen Bus.

Der Mensch steht im Mittelpunkt

Am Center for Human-Computer Interaction der Paris Lodron Universität Salzburg widmet man sich der Erforschung von Interaktionen zwischen Menschen und neuen Technologien, einschließlich ihrer sozialen, gesellschaftlichen und individuellen Ausprägungen. "Der Mensch steht bei uns immer im Mittelpunkt und darf nie der Technik ausgeliefert sein", betont Alexander Mirnig, der intensiv an dem Projekt
beteiligt ist. "Wir haben eine Studie zur Fahrgast-Bus-Kommunikation durchgeführt. Die wichtigste Frage, die wir uns stellen, ist, wie der Passagier mit dem Shuttle zurechtkommt, wenn es keinen Fahrer gibt."

Dem Bus denken lernen

Was gar nicht so schwierig klingt, ist jedoch höchst knifflig und verursacht zahllose Fragestellungen. Denn die Wissenschafter müssen der Maschine, in diesem Fall dem autonomen Bus, denken lernen. "Und das geht nur, indem wir vielfach Situationen bedenken, diese erproben und für diese schließlich Lösungen konzipieren", sagt Meschtscherjakov. Viele Fragen müssen gelöst werden: Was ist, wenn jemand mit Kinderwagen oder Rollstuhl einsteigt? Was machen der Bus und die Fahrgäste, wenn
ein Hindernis auf der Straße liegt? Was macht der Fahrgast, wenn wesentlich mehr Personen den Bus besteigen wollen als zulässig? Oder was ist bei einem Störfall zu tun, wenn der Bus plötzlich stehen bleibt? Zu all den Fragen wurden Studien durchgeführt und Designs entwickelt. Die Wissenschafter versetzen sich in die Lage der Busgäste, gehen Schritt für Schritt durch, um das Handling für den Fahrgast so simpel und leicht verständlich wie möglich zu gestalten.

Automatisierten Fahrbetrieb an die Menschen anpassen

Die Firma Commend International ist ein globaler Anbieter von Kommunikationssystemen sowie Notfall- und Gefahren-Reaktionssystemen, unter anderem für öffentliche Infrastrukturen im Verkehrswesen. Der Kommunikationsspezialist überprüft neue Methoden der Fahrgastinteraktion. Diese sind auf die Bedürfnisse der Fahrgäste im fahrerlosen Shuttle ausgerichtet und bilden einen wesentlichen Bestandteil des Komfort- und Sicherheitskonzepts. "Im ,Digibus'-Projekt entwickeln wir multimediale Methoden und Technologien, um den automatisierten Fahrbetrieb den Bedürfnissen der Fahrgäste nach Information, Sicherheit und Hilfe anzupassen", betont Klaus Hirschegger, Projektleiter bei Commend. Bei einem Störfall oder einer gefährlichen Situation muss der Fahrgast per Direktverbindung Hilfe von einer Leitstelle anfordern können. Möglich wird das durch neueste Audio-, Video- und Integrationstechnologie, die in den Commend-Labors entwickelt werden. Darüber hinaus wird auch ein berührungsloser Sprachassistent erprobt, der mit künstlicher Intelligenz oft gestellte Fragen beantwortet.
Auch Salzburg Research bietet Know-how und nachhaltige Lösungen für komplexe Herausforderungen und unterstützt als Thinktank innovative Unternehmen und die öffentliche Hand. "Um die Voraussetzungen für Stufe vier zu schaffen, muss der digitalisierte Bus sehr klar mit seiner Umgebung kommunizieren", betont Karl Rehrl von Salzburg Research.

Der Operator kann jederzeit eingreifen

Vorerst darf ein vollautomatisierter Bus ohne Fahrer noch nicht auf Österreichs Straßen fahren. Seine Geschwindigkeit ist im Probelauf auf maximal 15 km/h beschränkt. "Die rechtlichen Voraussetzungen müssen erst geschaffen werden", sagt Alexander Meschtscherjakov. Jede Aktion des Busses wird derzeit noch vom Operator bestätigt. Diese Person trägt auch die Verantwortung und kann jederzeit in das Fahrgeschehen eingreifen. Der autonom fahrende Kleinbus mit Elektroantrieb ist ein Produkt des französischen Fahrzeugherstellers Easymile. Der Bus mit kastenförmiger Karosserie bietet sechs Sitz- und sechs Stehplätze, Letztere können auch zum Transport eines Rollstuhls oder eines Fahrrads genutzt werden. Die Anschaffungskosten betragen rund 300.000 Euro.


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