SN.AT / Leben / Mobilität

BMW-Stammwerk: Bits und Bytes auf Bayerisch

Das 100 Jahre alte BMW-Stammwerk in München ist heute eine der modernsten Autofabriken. Konsequente Digitalisierung und hochflexible Prozesse sollen für Wettbewerbsvorteile sorgen.

Roboter und Menschen arbeiten im BMW-Werk in München Hand in Hand.
Roboter und Menschen arbeiten im BMW-Werk in München Hand in Hand.

Vor ziemlich genau 100 Jahren begann die Produktion im Münchner BMW-Werk. Damals, im Jahr 1922, wurden an der Lerchenauer Straße noch ausschließlich Flugmotoren montiert. Nach den Flugzeugantrieben folgten die Motorräder und schließlich die Autos. Heute zählt das Stammwerk in der Metropole an der Isar zu den modernsten Automobilfabriken der Welt. Seit dem Produktionsstart des BMW i4 im vergangenen Oktober werden hier Fahrzeuge mit allen aktuell verfügbaren Antriebsarten - Verbrenner, Hybride sowie Elektromotoren - auf ein und demselben Montageband produziert.

Zunehmende Elektrifizierung des Standorts

Besonders stolz ist Peter Weber, Leiter des BMW-Group-Werks München, auf die Tatsache, dass die zunehmende Elektrifizierung des Standorts bei laufender Fertigung in das bestehende Produktionssystem integriert wurde. Auf engstem Raum wurden dafür existierende Anlagen entfernt, neue installiert und bestehende Produktionseinheiten umgebaut. "Heute sind wir in der Lage, den i4, den 3er als Limousine und Touring, den M3 und das 4er Gran Coupé auf einem Band zu produzieren", erklärt Weber, während er die Besucher an der vollautomatischen Batteriemontage vorbeiführt, wo die Hunderte Kilogramm schwere Hochvoltbatterie mit der Karosserie verschraubt wird.

Obwohl im altehrwürdigen Montagewerk am Stammsitz der bayerischen Premiummarke in den letzten Jahren gefühlt kein Stein auf dem anderen geblieben ist, soll das erst der Anfang sein. "Bereits ab 2023 wird mehr als die Hälfte aller Fahrzeuge aus München einen elektrifizierten Antrieb haben. Und der überwiegende Teil davon wird vollelektrisch motorisiert sein. München wird also vollelektrisch", lässt BMW-Produktionsvorstand Milan Nedeljković keinen Zweifel an den Ambitionen des Autobauers, dem in Sachen Elektrifizierung immer wieder Halbherzigkeit vorgeworden wird.

Maximale Flexibilität ist absoluter Erfolgsfaktor

Der stetig wachsende Anteil vollelektrischer Fahrzeuge ist jedoch längst nicht die einzige Innovation hier in München. Unter dem Stichwort iFACTORY steht Flexibilität auf der Prioritätenliste ganz oben. "Unser Bekenntnis zu maximaler Flexibilität ist gerade jetzt in diesen volatilen Rahmenbedingungen mit Lockdowns, Halbleitermangel und dem Ukraine-Konflikt ein absoluter Erfolgsfaktor", so Nedeljković. Wobei sich diese extreme Flexibilität nicht auf das Münchner Werk begrenzt, sondern alle Produktionsstandorte umfasst. So ist man bei BMW mittlerweile in der Lage, Fahrzeuge zwischen den verschiedenen Werken "auszutauschen", also Derivate kurzfristig in unterschiedlichen Fabriken zu bauen oder innerhalb einer Linie mehrere Derivate zu fertigen. Dazu braucht es nicht nur modernste Technik und ausgeklügelte Logistiksysteme, sondern auch eine gehörige Portion Flexibilität bei den Mitarbeitern. "Wir haben dafür flexible Arbeitszeitmodelle entwickelt, die es uns ermöglichen, mit extrem kurzen Vorläufen Schichten zu verlängern oder zu verkürzen", erklärt das für die Produktion verantwortliche Vorstandsmitglied. Bis sechs Tage vor der Endfertigung können die zukünftigen Käufer die Spezifikationen ihres BMW noch ändern, etwa die Außenfarbe, die Ausstattung oder die Stoffe der Sitzbezüge. Dank dieses extrem kurzen Vorlaufs gelang es BMW, die jüngsten Lieferschwierigkeiten bei den Kabelbäumen binnen kürzester Zeit zu lösen.

Auch die Digitalisierung schreitet in München rasant voran. Aktuell wird das gesamte Werk detailliert mittels 3D-Scans erfasst, um so digitale Datengrundlagen für die bestehenden Gebäude und Anlagen zu erhalten. Die Scans werden schließlich in der Cloud gespeichert. In der Produktion können so Fahrzeugteile kontaktlos und automatisch mittels Funkwellen identifiziert und zugeordnet werden. Damit wird sichergestellt, dass das richtige Bauteil am richtigen Fahrzeug montiert wird. Manuelle Scans und damit potenzielle Fehlerquellen fallen weg.

Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt bei der Autoproduktion eine große Rolle. So soll das neue Werk im ungarischen Debrecen, in dem ab 2025 die vollelektrische "Neue Klasse" vom Band laufen wird, das weltweit erste Automobilwerk werden, bei dem bei der Produktion vollständig auf den Einsatz fossiler Energieträger verzichtet wird. Im Zeitraum von 2006 bis 2020 konnte der Ressourcenverbrauch je produziertem Auto bereits mehr als halbiert werden, die CO2-Emissionen sanken sogar um 78 Prozent.