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"Das beste Auto der Welt bauen"

Vor 100 Jahren nahm sich Walter Owen Bentley sehr viel vor. Seine Marke erlebte Sternstunden und Beinahe-Kollapse. Und gehört seit 1998 Volkswagen.

Vergangenheit und Zukunft: Bentley Blower (links) und neuer Continental GT – dazwischen liegen 90 Jahre Automobilentwicklung.
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Bentley war die erste britische Marke, die die Mille Miglia in Italien gewann – und heuer zur „historischen“ zurückkehrte.
Bentley war die erste britische Marke, die die Mille Miglia in Italien gewann – und heuer zur „historischen“ zurückkehrte.
Kommt 2020: Neuer Flying Spur.
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W. O. Bentley, 1888–1971.
W. O. Bentley, 1888–1971.

Eigentlich waren Walter Owen - immer nur W. O. genannt - und Bruder Horace Millner Bentley kleine Autohändler in Cricklewood im Norden Londons. Doch der Gedanke, eigene Autos zu bauen, ließ vor allem W. O. (1888-1971) nicht los. Bis er nach dem Ersten Weltkrieg den Schritt wagte und am 10. Juli 1919 seine neue Firma gründete. Sein Anspruch war ziemlich unbescheiden: "Bentley Motors soll ein schnelles Auto, ein gutes, das beste seiner Klasse bauen", wie es der Gründer formulierte. Und dieser Anspruch hat sich bis heute, 100 Jahre später, eigentlich nicht geändert. Schließlich ist man ja offizieller Hoflieferant für Elizabeth II.

Noch im Herbst 1919 stellte Bentley auf der Londoner Autoshow ein Chassis ohne Motor vor. Der Vierventiler von Clive Gallop wurde erst im Winter fertiggestellt, doch die Tests verzögerten sich. Statt im Juni 1920 wurde erst im September 1921 mit der Auslieferung begonnen. Die ersten Exemplare waren für den Motorsport getrimmt: für Bergprüfungen und Rennen in Brooklands.

Schon 1922 nahm der erste Bentley mit Douglas Hawkes und seinem "Riding Mechanic" Bertie Browning an den 500 Meilen von Indianapolis teil und wurde 13. mit 120 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit.

Doch Bentley Motors war immer in finanziellen Problemen. 1925 kaufte der bullige Woolf Barnato einen Dreiliter-Bentley - und ein Jahr später die ganze Firma - mit einer Investition von 100.000 Pfund. Die Gläubiger wurden pauschal abgefertigt, Aktien auf fünf Prozent des ursprünglichen Werts herabgesetzt. Doch Barnato musste auch in den nächsten Jahren noch zuschießen.

Eine Wende brachte das 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Von 1927 bis 1930 gewannen die "Bentley Boys", wie die Gruppe von Enthusiasten mit vermögendem und oft militärischem Hintergrund genannt wurde, an der Sarthe. Henry "Tim" Birkin war einer von ihnen, kreierte 1929 den ersten Leichtgewichts-Blower mit 4,5-Liter-Motor. In Cricklewood wurden insgesamt Modelle mit Hubräumen von drei bis acht Litern zwischen 1921 und 1931 gebaut. Nach dem Le-Mans-Sieg 1930 gab Bentley den Rennsport auf, man habe genug über Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit gelernt.

Mit der Wirtschaftskrise begann 1929 der Abstieg. Nicht einmal Barnato konnte helfen, Bentley Motors ging 1931 in Konkurs. Der Käufer war ein Strohmann für Rolls-Royce. Der Konkurrent sperrte Cricklewood zu, die Produktion wurde ausgesetzt, erst 1932 wieder aufgenommen - bei Rolls-Royce in Derby. Danach hatte W. O. Bentley genug und verließ 1935 das Unternehmen, um sich Lagonda anzuschließen. Alle zwischen 1931 und 2004 produzierten Bentley verwendeten Chassis von Rolls-Royce.

1938 begann die Errichtung des Werks Crewe im Nordwesten Englands. Doch die erste Produktion dort waren Flugzeugmotoren. Als Zulieferer für die Royal Air Force beschäftigte man 1943 10.000 Menschen. Erst nach dem Krieg verlegte Rolls-Royce die Produktion von Triebwerken nach Derby und ließ in Crewe wieder Autos bauen. Der Bentley Mark VI war ein "Zwilling" des Rolls-Royce Silver Wraith.

Es begann schon damals Individualisierung, besonders mit Mulliner, und mit dem R-Type die Auslieferung sportlicher Versionen des Continental. Unterschiede zwischen Bentley und Rolls-Royce wurden fast nur noch auf Kühlergrill, Emblems und Karosseriedetails beschränkt.

Ab 1990 wurden mehr Bentley als Rolls-Royce produziert. 1998 kaufte der Volkswagen-Konzern die Marke Bentley für umgerechnet 736 Mill. Euro, jedoch wurden bis 2002 in Crewe noch Modelle beider Luxusmarken gebaut. Seit 2003 kommen die Bentley aus Crewe, die Rolls-Royce aus Goodwood. Die Markenrechte an Rolls-Royce sicherte sich BMW. Eine Übereinkunft zwischen den damaligen Chefs der deutschen Konzerne, Ferdinand Piëch und Bernd Pischetsrieder, regelte, dass VW in Crewe bis 2002 unter Lizenz von BMW und mit Motoren der Münchner Rolls-Royce-Modelle bauen durfte, ehe nach Goodwood übersiedelt wurde. 2001 kehrte Bentley in den Rennsport zurück - natürlich nach Le Mans, wo Kristensen/Capello/Smith im dritten Anlauf 2003 mit dem EXP Speed 8 den Gesamtsieg holten - als Seriensieger Audi pausierte, aber Bentley technisch unterstützte.

Der erste "VW-Bentley" wurde 2003 mit dem Continental GT vorgestellt und kam auf der Plattform des VW Phaeton. Er wurde ab 2005 vom Continental Flying Spur ergänzt. Mit der State Limousine, 2002 für die britische Königin produziert, wurde das Modell mit der geringsten Stückzahl geschaffen - zwei Exemplare, noch weniger als der legendäre Rolls-Royce Phantom IV (18).

2016 hielt auch bei Bentley der SUV-Boom mit dem mächtigen Bentayga Einzug, von dem es nun auch eine Hybridversion gibt. Daneben werden weiter Mulsanne, Flying Spur und Continental GT produziert. Die GT3-Version des Letzteren wird im Kundenrennsport eingesetzt. 2016 war das aktuell beste Absatzjahr Bentleys (11.300 Stück), 2018 sank die Auslieferung auf 9560.

Im Concours d'Elegance im noblen Chantilly hatte am vergangenen Wochenende der neue Flying Spur Premiere: 6,0-Liter-W12, 635 PS und 900 Newtonmeter und theoretische 333 km/h Spitze, Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe, Allradlenkung und alle möglichen Assistenzsysteme. Bestellbar ist er ab Herbst, er kann ab Frühjahr 2020 geliefert werden.

Wenn man bis dahin genug gespart hat.