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"Der Umstieg auf die E-Mobilität ist keine Raketenwissenschaft"

Ein Großteil der in Österreich angemeldeten E-Autos sind Firmenfahrzeuge. Fuhrpark-Expertin Marcella Kral im Gespräch über bürokratische und praktische Hürden auf dem Weg zur E-Mobilität.

Marcella Kral arbeitet daran, Transformationshürden zu beseitigen.
Marcella Kral arbeitet daran, Transformationshürden zu beseitigen.

Die langjährige Fuhrpark-Chefin beim ÖAMTC und stellvertretende Obfrau beim Fuhrparkverband Austria spricht mit den SN über Chancen und Herausforderungen der E-Mobilität für österreichische Fuhrparkmanager.

Frau Kral, wie beurteilen Sie die aktuelle Situation der E-Mobilität in Österreich? Marcella Kral: Wir haben mittlerweile über 100.000 Elektrofahrzeuge auf Österreichs Straßen, was sehr positiv zu bewerten ist. Natürlich muss man wissen, dass zwei Drittel davon betrieblich genutzt werden. Die Gründe dafür sind die Förderungen, wodurch die höheren Anschaffungskosten abgefedert werden. Aber natürlich auch, dass man für elektrisch angetriebene Autos keine NoVA und keine motorbezogene Versicherungssteuer bezahlen muss. Diese Maßnahmen befeuern natürlich die Transformation. Auf der anderen Seite haben wir die anhaltenden Lieferschwierigkeiten, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg und den Chipmangel. Das ist sozusagen der Flaschenhals. Denn wenn das Angebot knapp ist und die Nachfrage groß, besteht immer die Gefahr, dass die Preise durch die Decke gehen.

Kann die E-Mobilität in Zeiten rasant steigender Energiepreise immer noch einen Beitrag dazu leisten, beim Fuhrpark Kosten einzusparen? Natürlich will ich die gestiegenen Stromkosten nicht kleinreden. Aber bei E-Autos hat man ja zumindest theoretisch die Möglichkeit, die Energiekosten ein wenig zu beeinflussen, indem man verstärkt darauf setzt, den Fuhrpark mit weniger Leistung und damit wesentlich günstiger als an öffentlichen Schnellladestationen zu laden. In diesem Zusammenhang ist es extrem erfreulich, dass Arbeitnehmer ab dem 1. Jänner 2023 keinen Sachbezug für die Ladekosten mehr bezahlen müssen, wenn sie das Firmenfahrzeug zu Hause aufladen. Bisher musste von den dabei anfallenden Kosten ja anteilig Lohnsteuer bezahlt werden, die man sich dann beim Lohnsteuerausgleich wieder zurückholen konnte. Es war höchste Zeit, dass diese Vorleistung der Arbeitnehmer wegfällt. Auch für die Arbeitgeber bringt das Vorteile, weil dadurch auch weniger Lohnnebenkosten anfallen.

Bei der IAA Transportation in Hannover wurden diese Woche zahlreiche neue Nutzfahrzeuge mit E-Antrieb vorgestellt. Sehen Sie die Infrastruktur auf diese Neufahrzeuge ausreichend vorbereitet? Nein. All die leichten Nutzfahrzeuge der Lieferanten müssen schließlich auch in der Stadt irgendwo laden können. Fahren Sie mal mit einem großen Lieferwagen an einen Ladepunkt der Wien Energie! Auch den Faktor Zeit darf man keinesfalls unterschätzen: Jede Minute, die ein Mitarbeiter an einer öffentlichen Ladesäule verbringt, ist wertvolle Arbeitszeit. Im Gegensatz dazu, wenn ein Arbeitnehmer zu Hause oder am Arbeitsplatz aufladen kann. Nicht zuletzt deshalb ist jeder Parkplatz mit einer Lademöglichkeit ein wichtiges Investment, das auch den jeweiligen Standort attraktiver macht.

Können Sie das bitte genauer erläutern? Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass man beim Auftanken eines Autos im Vergleich zum E-Fahrzeug so viel Zeit einspart. Eigentlich ist es genau andersherum: Rechne ich beim Tanken die Fahrt zur und von der Tankstelle ebenso ein wie das ganze Drumherum vor Ort, dann dauert der Vorgang insgesamt schnell einmal 15 Minuten, anstatt der eigentlichen drei Minuten an der Zapfsäule. Im Gegensatz dazu dauert der Ladevorgang bei einem E-Auto nur so lange, bis man das Kabel angesteckt hat. Vorausgesetzt natürlich, man kann während des Ladevorgangs etwas anderes tun, einkaufen beispielsweise, oder arbeiten. Deshalb wird sich die Investition in Ladesäulen für Supermärkte ebenso auszahlen wie für andere Unternehmen. Und nicht zuletzt geht es bei diesen Investitionen auch um die Wertschöpfung, die dadurch in Österreich bleibt.

Stichwort Aufladen: Gerade für Mitarbeiter, die nicht nur zum Arbeitsplatz pendeln, sondern beispielsweise im Außendienst tätig sind, ist der Alltag ja nicht ganz so unkompliziert. Wie könnte man diese Situation aus Ihrer Sicht optimieren? Ein ganz grundlegendes Problem ist die Tatsache, dass es völlig unterschiedliche Tarife gibt. Im Alltag dominieren immer noch Zeittarife, wo man mehr zahlt, je länger man lädt. Das ist schon deswegen unfair, weil die Dauer des Ladevorgangs ganz maßgeblich vom Zustand des Akkus, aber vor allem auch von der Außentemperatur abhängt. So ist es sehr wahrscheinlich, dass der Ladevorgang im September bei 20 Grad nicht so lange dauert wie im November bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Das erschwert es den Fuhrparkmanagern natürlich, eine ordentliche Kostenkalkulation durchzuführen. Gott sei Dank gibt es immer mehr Beispiele, wo nach Kilowattstunden abgerechnet wird. Ein weiteres Problem besteht darin, dass beim Laden eines Elektroautos nicht automatisch der aktuelle Kilometerstand übermittelt wird, wie es bei Verbrennern über eine dementsprechende Schnittstelle zu den Tankstellen bewährte Praxis ist.

Gibt es für die heimischen Unternehmen Ihrer Ansicht nach genug Anreize, um auf die Elektromobilität umzusteigen? Die staatlichen Förderungen waren und sind als Geburtshilfe absolut notwendig. Dazu kommt jetzt der richtige Schritt der Sachbezugsbefreiung. Der größte Aufholbedarf besteht bei der Einreichung der Förderungen. Hier muss massiv vereinfacht werden. Aus meiner Sicht ist es unverständlich, warum es Händlern nicht erlaubt wird, die Förderung für den Käufer einzureichen - es existiert ja ohnehin ein Kaufvertrag. Ähnlich verhielt es sich mit der Investitionsprämie. Die Voraussetzung dafür war ja, dass das Fahrzeug gekauft wurde und drei Jahre lang behalten werden musste. Die Idee der Behaltedauer kann ich nachvollziehen, die passte auch in die Praxis. Allerdings war das Problem, dass 99 Prozent aller Firmen ihre Fahrzeuge nicht kaufen, sondern leasen. Die damit verknüpfte Bürokratie hat viele Unternehmer dazu veranlasst, auf die mittlerweile ausgelaufene Investitionsprämie zu verzichten. Da müssen die Förderstellen auf die Realität Rücksicht nehmen.

Inwiefern hat der Boom der E-Mobilität den Job des Fuhrparkmanagers verändert? Man muss sich zwangsläufig zum Mobilitätsmanager weiterbilden, da man sich plötzlich mit viel mehr Aspekten auseinandersetzen muss. Zunächst heißt es, den Mitarbeiter, die Mitarbeiterin und/oder die Geschäftsleitung von den Vorteilen zu überzeugen. Dann muss sehr wahrscheinlich die interne Car Policy umgeschrieben werden. Fragen nach der optimalen Ladekarte und dem passenden Tarif müssen entschieden werden. Geklärt werden müssen auch die Umstände am Firmenstandort, Stichwort Strombedarf und Lastenmanagement. Dazu kommt, es gibt nicht in jedem Segment ein passendes E-Auto zur Auswahl. Ich will nicht den Eindruck vermitteln, dass der Wechsel zur E-Mobilität eine Raketenwissenschaft ist. Wichtig ist, dass die Vorteile verstanden werden. Wenn am Ende des Tages die Gesamtkostenrechnung zugunsten des E-Autos ausfällt, dann fällt die Entscheidung leicht.

Wie stehen Sie zu Plug-in-Hybriden? Dabei handelt es sich um eine Übergangstechnologie, die Sinn hat, wenn sie dazu dient, dass mehr Menschen auf die E-Mobilität umsteigen. Für manche mag es ein sinnvoller Zwischenschritt sein, für andere weniger. Bei diesem Thema sollten wir die Emotionen ausklammern und nicht das eine gegen das andere ausspielen. Das beste Konzept wird sich am Ende durchsetzen.


Zur Person: Marcella Kral

In der Abteilung New Business beim ÖAMTC ist Marcella Kral verantwortlich für B2B-Kooperationen sowie Themen rund um die Elektromobilität. Seit mittlerweile 22 Jahren ist sie zudem für den Fuhrpark des ÖAMTC zuständig. Seit 2017 vertritt Kral zudem als stellvertretende Obfrau beim Fuhrparkverband Austria die Interessen der heimischen Fuhrparkmanager. Im Rahmen der diesjährigen Fachmesse IMFS hat Marcella Kral am Podiumsgespräch "Elektrische Fuhrparks im Fokus" teilgenommen. Infos unter www.imfs.at