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E-Autos gegen den Blackout

Elektroautos können dabei helfen, das Stromnetz zu stabilisieren. Das dafür notwendige bidirektionale Laden steht jedoch erst am Anfang.

Der in den USA verfügbare Elektro-Pick-up Ford F150 Lightning kann laut Hersteller einen Haushalt drei Tage lang mit Strom versorgen.
Der in den USA verfügbare Elektro-Pick-up Ford F150 Lightning kann laut Hersteller einen Haushalt drei Tage lang mit Strom versorgen.

Es ist ohne Zweifel die häufigste Frage zur Elektromobilität: Gibt es überhaupt genug Strom, um all die neuen Elektroautos aufzuladen?

Die Antwort gibt ein Blick in die Daten der Statistik Austria: Würden von heute auf morgen alle fünf Millionen Pkw in Österreich elektrisch fahren, dann würde der Strombedarf um rund 18 Prozent steigen - bei einer angenommenen Jahresfahrleistung von im Schnitt 13.000 Kilometern. Bei einem E-Auto-Anteil von zehn Prozent wäre der jährliche Strombedarf rechnerisch um 1,2 Terawattstunden oder 1,8 Prozent höher. Aktuell liegt der Anteil der strombetriebenen Pkw hierzulande bei etwas mehr als zwei Prozent. Die Belastung auf das heimische Stromnetz hält sich also in Grenzen - vor allem deshalb, weil der Umstieg von benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeugen auf batterieelektrische Autos aus heutiger Sicht eine Frage von Jahrzehnten sein wird.

E-Autos werden entscheidende Rolle in Energieversorgung spielen

Elektroautos werden in naher Zukunft aber nicht nur Strom verbrauchen, sondern mit ihrem Akku eine entscheidende Rolle in der Energieversorgung übernehmen. Stichwort: bidirektionales Laden, also die Fähigkeit eines Autos, nicht nur Strom aus dem Netz aufzunehmen, sondern auch aus dem Akku wieder zurück ins Stromnetz einzuspeisen.

"Durch die Elektromobilität rücken Automobilindustrie und Energiewirtschaft enger zusammen. Die Batterie eines Audi e-tron könnte ein Einfamilienhaus rund eine Woche autark mit Energie versorgen", so Martin Dehm, technischer Projektleiter für bidirektionales Laden bei Audi. "Perspektivisch möchten wir dieses Potenzial nutzbar und das E-Auto als Stromspeicher auf vier Rädern zum Teil der Energiewende machen."

Vehicle to Home: Elektroautos dienen als Zwischenspeicher

Tatsächlich bieten sich Elektroautos hervorragend als Speicher an: Sie verfügen über einen großen Akku und stehen statistisch gesehen einen Großteil des Tages ungenutzt herum. Wenn sie in dieser Zeit am Netz hängen, sprich an der Wallbox eingestöpselt sind, können Energieversorger die Batterie flexibel nutzen, um Strom einzulagern und bei Lastspitzen wieder abzurufen. Praktische Bedeutung wird diese Idee aus heutiger Sicht am ehesten als Teil des häuslichen Energiemanagements bekommen. Der Fachbegriff dafür lautet "Vehicle to Home", kurz: V2H. Im Idealfall wird die Energie mit einer Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach produziert. Der Akku des E-Autos dient dann als Zwischenspeicher für den eigenerzeugten Ökostrom. Wenn die Sonne nicht mehr scheint, kann das Fahrzeug den gespeicherten Strom wieder ans Haus abgeben. Damit bietet das bidirektionale Laden großes Potenzial, die Stromkosten zu senken und die Netzstabilität zu erhöhen. In Kombination mit einem zusätzlichen, stationären Heimspeicher lässt sich so fast vollständige Energieautarkie sowie die Versorgungssicherheit im Fall eines Blackouts erreichen. Bei einem Stromausfall fungiert das E-Auto als Notstromaggregat für Waschmaschine, Kühlschrank und Co.

Aber auch ohne eigene Photovoltaikanlage kann V2H dabei helfen, lokale oder sogar nationale Versorgungsnetze zu stabilisieren. Das Elektrofahrzeug wird beispielsweise nachts aufgeladen, wenn der allgemeine Strombedarf gering ist, und dieser Strom dann tagsüber für den Eigenbedarf genutzt, wenn der Energiehunger und damit auch der Druck auf das Stromnetz als Ganzes am höchsten ist.

Vehicle to Grid: Verbindung von E-Auto mit allgemeinem Stromnetz

Noch einen Schritt weiter geht das Konzept "Vehicle to Grid" (V2G), also die Verbindung des Elektroautos mit dem allgemeinen Stromnetz. Die Fahrzeuge werden dabei zu dezentralen Stromspeichern, die als Puffer für die Stabilisierung der Energieversorgung dienen. Wird gerade viel Ökostrom produziert, weil die Sonne scheint und der Wind die Windräder antreibt, kann der erzeugte Strom in den Akkus der Autos zwischengespeichert werden. Nachts, oder wenn kein Wind weht, wird die Energie dann zurückgespeist.

Technische und wirtschaftliche Hürden beim bidirektionalen Laden

In der Praxis gibt es allerdings noch einige Hürden zu überwinden. Aus technischer Sicht fehlt es aktuell an der notwendigen Infrastruktur. Beim Aufladen an stationären Heimladestationen wird der Wechselstrom (AC) aus dem Stromnetz in Gleichstrom (DC) umgewandelt, da die Akkus der Autos nur mit Gleichstrom funktionieren. Das geschieht mithilfe eines Wandlers, der entweder im Ladegerät oder direkt im Auto eingebaut ist. Für den umgekehrten Weg - also die Verwendung des im Akku gespeicherten Stroms im Haus oder die Rückspeisung ins Stromnetz - muss der Gleichstrom demnach wieder in Wechselstrom konvertiert werden. Die dafür notwendigen bidirektionalen Ladegeräte sind aktuell noch kaum verfügbar und vergleichsweise teuer.

Dazu kommt, dass es derzeit noch an attraktiven Stromtarifen mangelt, die es Besitzern von Elektroautos ermöglichen würden, Geld zu verdienen, indem sie die überschüssige Energie ihrer Autobatterie ins öffentliche Netz zurückspeisen. Dabei schätzen aktuelle Studien den möglichen Nebenverdienst auf rund 400 Euro pro Jahr. Für die Lebensdauer eines Elektrofahrzeugs wird das durchschnittliche Gewinnpotenzial sogar mit rund 3700 Euro beziffert.

Bis es so weit ist, kommen immer mehr Fahrzeuge auf den Markt, die zumindest technisch schon auf das bidirektionale Laden ausgelegt sind, darunter alle ID.-Modelle von Volkswagen mit einer Batteriekapazität von 77 kWh. Um den Fahrbetrieb zu gewährleisten und die Lebensdauer des Akkus nicht zu beeinträchtigen, ermöglicht VW die Entladefunktion allerdings nur zwischen 20 und 80 Prozent Ladestand und fixiert darüber hinaus absolute Limits: Bei einer Betriebsdauer von 4000 Stunden oder einer entnommenen Energiemenge von maximal 10.000 kWh ist Schluss. Bei täglich rund 9 kWh wäre dieses Limit nach zirka drei Jahren erreicht.