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E-Autos laden wie von Geisterhand

Kabelloses Laden von Elektroautos verspricht praktisch unendliche Reichweiten. Auf speziellen Fahrspuren lädt der Akku sogar während der Fahrt.

Die Idee ist reizvoll: Sinkt der Akkustand, wechselt man einfach auf die dafür vorgesehene Ladespur auf der Autobahn.
Die Idee ist reizvoll: Sinkt der Akkustand, wechselt man einfach auf die dafür vorgesehene Ladespur auf der Autobahn.

Das kontaktlose Laden beruht auf einem Prinzip, das der englische Physiker Michael Faraday bereits im Jahr 1831 entdeckte: die elektromagnetische Induktion. Dabei bildet Strom in einer Spule ein Magnetfeld, mit zwei Spulen entsteht elektrische Spannung. Auf der Weltausstellung in Chicago 1893 brachte Nikola Tesla Geißlerröhren durch hohe elektrische Feldstärken drahtlos zum Leuchten.

Vorteile überwiegen beim induktiven Laden von Elektroautos

Beim induktiven Laden eines Elektroautos wird von einer Station im Boden ein Magnetfeld erzeugt.

Eine Vielzahl innovativer Start-ups arbeitet an der Weiterentwicklung der Technologie.
Eine Vielzahl innovativer Start-ups arbeitet an der Weiterentwicklung der Technologie.

Über eine Empfängerspule von der Größe eines Schuhkartons an der Unterseite des Fahrzeugs gelangt der Strom über ein Magnetfeld bis zum Akku. Die Technologie ähnelt der beim kabellosen Aufladen von Smartphones. Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass die zu überbrückende Distanz und auch die zu übertragende Leistung viel größer sind. Zudem ist der Einbau der Technik im Fahrzeugunterboden aufwendiger und damit teurer als beim vergleichsweise einfachen kabelgebundenen Laden. Auch juristische Fragen müssen noch geklärt werden. Schließlich ist es theoretisch möglich, dass Haustiere oder Gegenstände in den Luftspalt zwischen den Spulen geraten.

Während diese Herausforderungen verhältnismäßig leicht technisch lösbar sind, klingen die Vorteile überzeugend: Elektroautos könnten überall laden, beim Parken, auf dafür vorgesehenen Fahrspuren sogar unterwegs. Vor allem aber könnte das Problem der begrenzten Ladeplätze in den Städten abgemildert und quasi als Draufgabe auch die Lastverteilung des Stromnetzes optimiert werden. Die Reichweite der Fahrzeuge wäre zumindest theoretisch nicht mehr von notwendigen Ladestopps begrenzt, was es möglich machen würde, kleinere und damit günstigere und ressourcenschonende Akkus einzubauen.

Problem mit dem niedrigen Wirkungsgrad scheint lösbar

Kamen früher weniger als 80 Prozent der Energie auch tatsächlich in der Batterie an, so sind es heute weit mehr als 90 Prozent. In seinem Innovation Hub Knoxville in den USA erreichte Volkswagen bei seinen Tests einen Wirkungsgrad von 98 Prozent - also gingen gerade einmal zwei Prozent der aufgewendeten Energie verloren. Ein Porsche Taycan wurde auf diese Weise in gerade einmal zehn Minuten auf 80 Prozent aufgeladen.

Pilotprojekte für kontaktloses Laden von E-Autos

Erste Pilotprojekte laufen bereits in Städten wie Köln, Oslo oder Göteborg. Elektrische Taxis und Busse werden dort kabellos aufgeladen, während sie auf Fahrgäste warten.

In Göteborg wird eine Flotte elektrischer Taxis induktiv geladen.
In Göteborg wird eine Flotte elektrischer Taxis induktiv geladen.

Am Taxistand des Hauptbahnhofs in Köln wurde vor wenigen Monaten die erste kabellose Ladewartespur in Deutschland eröffnet. Die insgesamt sechs Ladestationen des Unternehmens Intis bieten eine Leistung von 22 Kilowatt und sind in der Lage, binnen einer Stunde genug Strom für eine durchschnittliche Reichweite von 100 Kilometern zu liefern. Um mögliche Fehlerquellen zu reduzieren, entwickelte die Universität Duisburg ein Fahrzeuglokalisierungssystem. Mit dessen Hilfe können die Taxifahrer sehen, ob das Fahrzeug korrekt über der Ladespule steht, und in der Folge den Ladevorgang per Knopfdruck auf der Smartphone-App starten. Der lokale Energieversorger Rheinenergie hat zugesagt, für das Projekt in Köln drei Jahre lang kostenlos Strom zu liefern. Danach sei es das Ziel, bei den Kosten für das induktive Laden höchstens ein Drittel über jenen herkömmlicher Ladestationen zu liegen.

Speziell für elektrische Nutzfahrzeuge entwickelt das US-Unternehmen Wave (steht für Wireless Advanced Vehicle Electrification) induktive Ladesysteme. Das System von Wave bietet derzeit eine Ladeleistung von 250 kW und wird bereits von mehreren Elektrobusbetrieben in den USA genutzt. Eigenen Angaben zufolge soll die Ladeleistung in Zukunft auf 500 und schließlich 1000 kW steigen. Diese Leistungssteigerung soll durch eine neue Elektronik und ein innovatives Design der Spule erreicht werden. Damit entsprechen die von dem US-Unternehmen geplanten Ausbaustufen ziemlich genau der Größenordnung, die Tesla für seine geplante Ladeinfrastruktur für den Tesla Semi anstrebt. Die sogenannten "Megacharger" sollen ebenfalls eine maximale Ladeleistung von einem Megawatt bieten, allerdings kabelgebunden.

E-Auto während der Fahrt aufladen

Noch eine Stufe spannender wird das Prinzip des induktiven Ladens durch die Möglichkeit, Fahrzeuge während der Fahrt aufzuladen. Die induktive Ladetechnologie würde dabei unsichtbar in die Fahrbahn integriert werden. Anders als bei elektrifizierten Straßen mit Oberleitungen könnten dabei sowohl Nutzfahrzeuge als auch Pkw geladen werden.

Bis spätestens 2025 soll in Nordbayern eine Teststrecke für induktives Laden entstehen - als Teil eines Forschungsprojekts der Universität Erlangen-Nürnberg. Bei dem mit rund acht Millionen Euro budgetierten Projekt sollen Technologien sowie Fertigungs- und Bauprozesse entwickelt werden, um die Produktion solcher Straßen in Serie möglich zu machen. Das Ziel ist, einen Standard für die Herstellung der Spulen sowie deren Verbau in die Straße zu etablieren.

Bereits seit dem Jahr 2020 forscht der süddeutsche Energiekonzern EnBW in Karlsruhe mit einem Partner zu induktivem Laden von elektrischen Nahverkehrsbussen mit Platz für bis zu 80 Personen. Dabei sollen mögliche Lösungen für eine nachhaltige elektromobile Zukunft speziell im Personennah- und Schwerlastverkehr untersucht werden.

Die technische Standardisierung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Wichtige Player der Branche arbeiten daran, international geltende Normen zu etablieren. Geht es nach Berechnungen von Siemens, soll der Markt in Europa und Nordamerika auf eine Größe von zwei Milliarden Euro wachsen.