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"E-Autos sind extrem sicher"

Hans Berner ist bei Porsche Austria der Akku-Experte Nummer eins. Mit den SN spricht der Hochvolt-Spezialist über unbegründete Ängste vor brennenden Elektroautos.

Der technische Leiter der Moon City, Hans Berner, befasst sich rund um die Uhr mit dem Thema Akku.
Der technische Leiter der Moon City, Hans Berner, befasst sich rund um die Uhr mit dem Thema Akku.

Privat fährt er seit fünf Jahren einen e-Golf, dessen Strom hauptsächlich von der Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach produziert wird. Seit 1990 bei der Porsche Holding, ist der gelernte Kfz-Elektrikermeister und Hochvolt-Experte Hans Berner seit Kurzem technischer Leiter der Moon City.

Herr Berner, immer wieder gibt es Schlagzeilen über Elektroautos, deren Akkus zu brennen beginnen. Wie groß ist das Brandrisiko tatsächlich? Hans Berner: Zunächst muss man relativieren, wie viele Autos mit Verbrennungsmotor jeden Tag in Europa abbrennen. Auch im Verhältnis zu den Zulassungszahlen passiert das viel häufiger. Um den konkreten Fall des Teslas in Tirol heranzuziehen: Meines Wissens wurde das Auto gegen einen Baum gefahren und fing dann Feuer. Im Nachhinein hat man herausgefunden, dass der Akku nicht von sich aus gebrannt hat. Ich persönlich kenne keinen einzigen Fall, bei dem der Akku eines E-Autos die Brandursache war. Natürlich besteht in einer Batterie eine extrem hohe Energiedichte. Das Gleiche gilt aber bei einem konventionellen Treibstofftank. Fälle, bei denen ein vollständiges Akku-Pack abbrennt, sind allerdings selten.

Wir allen kennen einschlägige Internetvideos, bei denen sich Akkus von E-Scootern während des Ladens mit einer weißen Stichflamme entzünden. Kann so etwas bei einem Elektroauto auch passieren? Bei E-Autos gelten ungleich strengere Sicherheitsvorschriften in Bezug auf die Hochvolttechnik als bei E-Scootern oder anderen elektronischen Geräten. Grundsätzlich ist der Akku aber sogar weniger gefährlich als eine herkömmliche Haushaltssteckdose. Um die Sicherheitstechnik zu veranschaulichen: Eine Schuko-Steckdose, wie wir sie alle zu Hause verwenden, ist wie eine Hose, die man ohne Gürtel trägt: Wenn man unvorsichtig ist, rutscht sie nach unten. Der Akku eines E-Autos ist im Vergleich dazu wie eine Hose, die man mit einem Gürtel und Hosenträgern verwendet. Und zusätzlich noch eine Rolle Panzertape um die Hosenträger klebt, damit man diese nicht verliert.

Und trotzdem sieht man immer wieder Bilder von völlig ausgebrannten Elektroauto-Wracks. Jeder Unfall ist anders - und wenn der Akku beschädigt wird, dann kann Feuer natürlich auch darauf übergreifen. Aber im Normalfall kann der Brand nicht die gesamte Batterie erfassen, weil die Module voneinander getrennt sind. Im Gegensatz zu Treibstoff, wie gesagt: Wenn der brennt, dann komplett.

Die ersten Elektro- und Hybridmodelle sind mittlerweile seit einigen Jahren auf der Straße. Welche Erfahrungen haben Sie in Bezug auf deren Alterung gemacht? Meine Erfahrungen der letzten sieben, acht Jahre sind die, dass ich die immer wieder geschürten Befürchtungen nicht bestätigen kann. Die Angst, dass Fahrzeugbatterien abrupt kaputt gehen oder massiv an Leistung verlieren, ist aus heutiger Sicht unbegründet. Es ist natürlich - wie immer im Leben - auch dabei davon abhängig, wie man etwas im Alltag behandelt. Wenn man ein Auto mit Verbrennungsmotor jeden Tag kurz nach dem Kaltstart mit Vollgas auf die Autobahn jagt, wird der Motor in absehbarer Zeit nicht mehr mitspielen. Ähnliches kann man natürlich auch mit einer Batterie betreiben, indem man sie extrem ausreizt. Diese Faktoren hängen primär vom jeweiligen Fahrprofil ab.

Das heißt, das Leerfahren der Batterie ist der neue Kaltstart? Das kann man so nicht einfach umlegen, weil das absolute Leerfahren des Akkus technisch gar nicht möglich ist. Da gibt es bewusst gesetzte Sicherheitspuffer, die eine übermäßige Belastung der Batterie von vornherein verhindern. Da werden sehr gezielt Ressourcen dafür verwendet, eine vorzeitige Alterung der Zellen zu verhindern. Aus heutiger Sicht kann man seriös prophezeien, dass sich die 70 Prozent der ursprünglichen Kapazität, die wir für acht Jahre bzw. 160.000 Kilometer Laufleistung garantieren, leicht ausgehen werden.

Stichwort Nachhaltigkeit: Wie weit ist man beim Thema Recycling? Der VW ID.3 ist das erste Auto, das CO2- neutral produziert wird, bei Audi bemüht man sich darum, die Rückläufer der Akkus für lokale Speichersysteme zu nutzen. Wir als Moon City sind mit diversen Start-ups dabei, verschiedene Geschäftsmodelle für die Nachnutzung gebrauchter Akkus zu entwickeln. Für Heimspeicher sind alte Fahrzeug-Akkus noch gut und gerne 10, 15 Jahre lang einsetzbar. In Bezug auf die Rohstoffe haben wir von den Recyclingunternehmen bereits mehrfach positives Feedback bekommen, dass eine Recyclingquote von weit über 90 Prozent möglich ist. Es würde also genügen, im einstelligen Bereich neue Rohstoffe hinzuzufügen, um den Kreislauf zu schließen. Ein interessanter Aspekt ist auch, ob man Batterien aus Unfallautos teilweise wiederverwenden kann. Aus mehreren alten Akkus könnte man so eine wiederaufbereitete, neue Batterie machen. Am Ende des Tages geht es aber natürlich auch darum, Geld zu verdienen.

Werden wir in zehn Jahren noch mit Lithium-Ionen-Akkus fahren? In ein paar Jahren wird es andere Batteriekonzepte, Energiedichten und Materialien geben. Ich denke sogar, dass es nicht nur eine, sondern zwei, drei Konzepte parallel geben könnte, von denen sich das Beste durchsetzen wird. Ich stelle mir das ähnlich vor wie heute bei den Smartphones, wo man auch zwischen verschiedenen Speicherkapazitäten auswählen kann. Spätestens dann wird sich auch in den Köpfen der Kunden etwas ändern, die sich dann fragen werden, ob das eigene Auto tatsächlich eine Reichweite von 1000 Kilometern braucht.

Letzte Frage: Sind Sie persönlich davon überzeugt, dass sich das Elektroauto durchsetzen wird? Heute ist jeder gefordert, selbst zu entscheiden, ob man der Nachwelt vernünftige Rahmenbedingungen überlassen möchte. Oder man sagt: Hinter mir die Sintflut - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Es liegt an unserer Generation, den notwendigen Wandel herbeizuführen. Natürlich haben E-Autos auch Nachteile. Aber die gibt es bei Verbrennern genauso. Nur haben wir uns diese seit Jahrzehnten einfach geleistet. Da war es dem Kunden beim Tanken im Zweifelsfall egal, ob die eine oder andere Bohrinsel explodiert ist - Hauptsache, das Benzin kam weiter aus der Zapfsäule. Unsere Aufgabe besteht jetzt darin, die Menschen objektiv über Vor- und Nachteile aufzuklären.

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