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E-Fuels als echte Alternative?

Innovationen aus Österreich könnten synthetische Treibstoffe wirtschaftlich machen. 2022 soll die erste, besonders effiziente Anlage zur Produktion von E-Fuels in Österreich in Betrieb gehen.

Noch ist die industrielle Produktion flüssiger Treibstoffe alles andere als nachhaltig.
Noch ist die industrielle Produktion flüssiger Treibstoffe alles andere als nachhaltig.

Als Laie würde man bei der Interessenvertretung der heimischen Mineralölwirtschaft, dem Institut für Wärme und Öltechnik Österreich (IWO), kein besonders hohes Interesse im Kampf gegen den Klimawandel vermuten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn anstatt an überholten Technologien und veralteten Wirtschaftskreisläufen festzuhalten, positioniert sich die IWO im europäischen Vergleich als regelrechter Innovationsführer und Fürsprecher neuer, nachhaltiger Technologien.

Synthetische Treibstoffe als Alternative zu Elektro

Im konkreten Fall der industriellen Herstellung synthetischer Treibstoffe, sogenannter E-Fuels. Diese werden in Fachkreisen seit Jahren als potenzielle Alternative zur Elektrifizierung des Verkehrssektors diskutiert - wobei dabei weniger klassische Pkw im Fokus stehen als vielmehr der Schwerverkehr.

Zur Erinnerung: Zusätzlich zu den aktuell rund 1,3 Milliarden Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sind weltweit rund 22.000 Flugzeuge und 50.000 Schiffe im Einsatz. Neben den Millionen von Diesel-Lkw, die täglich in aller Welt Waren liefern, gelten vor allem die Verkehrsmittel in der Luft und auf dem Wasser als enormes ökologisches Problem. Da die Akku-Technologie auf absehbare Zeit kaum genug Leistung bzw. Kapazität bieten wird, um praxistaugliche Reichweiten zu ermöglichen, scheint bis dato keine sinnvolle technische Alternative dazu in Sicht, weiterhin Diesel, Kerosin und Schweröl zu verbrennen.

E-Fuels sind nachhhaltig

Zumindest in der Theorie bieten synthetische Treibstoffe einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma. Auf Basis von industriell hergestelltem Wasserstoff produziert, sind E-Fuels potenziell im doppelten Sinne nachhaltig: Zum einen können sie aus erneuerbarer Energie gewonnen werden und setzen bei der Nutzung damit nur so viel Kohlendioxid frei, wie vorher bei ihrer Herstellung gebunden wurde. Zum anderen sind sie zu großen Teilen in den bestehenden Fahrzeugen und Infrastrukturen für Flüssigbrennstoffe einsetzbar. Millionen von Fahrzeugen, vor allem aber auch die bestehende Tankstellen-Infrastruktur, könnten so mit einem Schlag nachhaltig und CO2-neutral werden und praktisch kostenneutral weiterverwendet werden. Der größte Nachteil der E-Fuels bestand allerdings in ihrer energieaufwendigen und damit extrem kostenintensiven Herstellung, die eine wirtschaftliche Nutzung in größerem Rahmen bisher verhinderte. Ein Problem, das möglicherweise bald gelöst sein könnte.

Gemeinsam mit der AVL List GmbH arbeitet die IWO Österreich an der Errichtung der modernsten Power-to-Liquid-Anlage Europas zur Herstellung von synthetischen Brenn- und Kraftstoffen. Diese Demoanlage, die bereits Ende 2022 in Betrieb gehen soll, wird über eine elektrische Anschlussleistung von einem Megawatt erneuerbarem Strom verfügen und ist zweistufig ausgeführt. In der ersten Stufe wird Wasserstoff im Rahmen eines SOEC-Prozesses in einer Festoxid-Elektrolyseurzelle hergestellt. Der Wirkungsgrad beträgt dabei 80 Prozent. Parallel dazu wird CO2 aus einem Industrieabgas oder aus einer Biogas- bzw. Biomasseanlage abgeschieden. In der zweiten Stufe werden dann Wasserstoff und CO2 einer Fischer-Tropsch-Synthese-Anlage zugeführt, wobei synthetischer Treibstoff in drei unterschiedlichen Fraktionen erzeugt wird. Laut den Projektverantwortlichen der IWO könnte die geplante Ein-Megawatt-Anlage pro Jahr E-Fuels im Äquivalent von rund 500.000 Litern Diesel produzieren. Auch die Herstellung von Benzin oder Kerosin ist möglich. Vor allem dank der von der AVL entwickelten Hochtemperatur-Elektrolyse wird dafür ein um 20 bis 30 Prozent geringerer Energieinput benötigt. "Durch den bisher unerreichten Wirkungsgrad wird es in Zukunft möglich sein, die Anlage wirtschaftlicher zu führen und die Produktion von synthetischen Kraftstoffen zu steigern", so Jürgen Roth, Vorstandsvorsitzender der IWO Österreich. "Dadurch kann der CO2-Ausstoß massiv reduziert werden, ohne dabei auf bewährte Technik wie Autos oder herkömmliche Ölheizungen verzichten zu müssen." Im virtuellen Pressegespräch betont Jürgen Roth zudem ausdrücklich, dass synthetische Treibstoffe nicht als Ersatz für die laufende Elektrifizierung der Kfz-Industrie, sondern vielmehr als ökologisch und ökonomisch gleichermaßen sinnvolle Ergänzung dienen sollten. In Hinblick auf die Erreichung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele sei die Möglichkeit, bestehende Technologien und Infrastrukturen weiterzuverwenden, ohne Alternative. Laut Jürgen Rechberger, Leiter des Global Fuel Cell Competence Teams der AVL, wurden in den letzten Monaten unter anderem eine umfangreiche Analyse zu möglichen Standorten der geplanten Pilotanlage durchgeführt, ein detaillierter Kostenplan erstellt und umfassende technische Details für den Anlagenaufbau definiert. Ein namhafter Unterstützer ist, neben der OMV, diversen Landesenergieversorgern und der Kirchdorfer Gruppe, auch die Verbund AG. Deren stellvertretender Vorsitzender Michael Strugl sieht großes Potenzial in dem ehrgeizigen Vorhaben: "In der geplanten Power-to-Liquid-Anlage sehen wir eine riesige Chance, Österreich mithilfe von Grünstrom und grünem Wasserstoff im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig zu verändern."

Via Skype nahm auch Ole von Beust, Geschäftsführer der internationalen eFuel Alliance und ehemaliger Erster Bürgermeister der Stadt Hamburg, am Medientermin zur Projektvorstellung bei. Die vor drei Monaten gegründete eFuel Alliance umfasst bereits mehr als 100 Partnerunternehmen und hat es sich zum Ziel gesetzt, den Übergang zu nachhaltigen und dennoch wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften in der EU tatkräftig zu unterstützten. "Um die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen und die Energiewende erfolgreich voranzutreiben, braucht es technische Innovationen, wie das Beispiel der geplanten Power-to-Liquid-Anlage in Österreich zeigt", so von Beust, der sich zudem über die zuvor verkündete Gründung der eFuel Alliance Österreich erfreut zeigte und den österreichischen Kollegen vollste Unterstützung zusicherte - zumal globale Probleme nicht auf nationaler Ebene gelöst werden könnten. Die Forderungen der Interessengemeinschaft bestehen unter anderem in einer Technologieoffenheit der Klimapolitik der EU, einer umweltrelevanten Bemessungsgrundlage der Energiesteuer sowie der ganzheitlichen Entwicklung einer Wirtschaft für Wasserstoff-Folgeprodukte in Europa. Auch die Anrechnung von E-Fuels auf die CO2-Flottenziele für Pkw sowie leichte und schwere Nutzfahrzeuge beurteilt Ole von Beust als entscheidenden Hebel für die Erreichung der Klimaziele im Straßenverkehr.

Über den Erfolg der geplanten Power-to-Liquid-Anlage und mögliche weitere Schritte wird über kurz oder lang allein deren Wirtschaftlichkeit entscheiden. Als Schlüsselfaktor gelten dabei die erzielbaren Herstellungskosten. Diese liegen - nicht zuletzt dank des Technologie-Vorsprungs - im konkreten Fall um bis zu 35 Prozent unter denen vergleichbarer Anlagen. Einen niedrigen Strompreis vorausgesetzt, halten die Projektverantwortlichen der IWO Österreich mittelfristig einen Preis von knapp über einem Euro pro Liter E-Fuel für realistisch. Das Potenzial in Österreich ist jedenfalls enorm: Unter optimalen Bedingungen könnten im Jahr 2030 allein durch Nutzung von temporär überflüssigem Strom 240 Millionen Liter synthetischer Kraftstoff hergestellt werden.