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E-Fuels bleiben ein Streitthema

Kann synthetischer Sprit den Verbrenner retten? Während E-Fuels auf Wasserstoffbasis für die einen eine smarte Alternative zur E-Mobilität darstellen, warnen die anderen vor falschen Versprechen: Benzin und Diesel aus dem Labor seien ineffizient und extrem kostspielig.

 Im Fokus des Green Deal: Der Verkehrssektor.
Im Fokus des Green Deal: Der Verkehrssektor.

Die im Rahmen des Green Deal der EU vereinbarte Reduktion der Treibhausgas-Emissionen von mindestens 55 Prozent bis 2030 bleibt das bestimmende Thema im Verkehrssektor. Während sich die Politik sowie die führenden Player der europäischen Automobilindustrie einhellig auf die batteriebasierte Elektromobilität als die geeignete Technologie zur Erreichung der ehrgeizigen Ziele festgelegt haben, argumentieren Interessenvertreter, aber auch renommierte Wissenschafter für die vermehrte Nutzung synthetischer Treibstoffe, sogenannter E-Fuels.

Ihren bisherigen Höhepunkt erlebte die Diskussion in dem Ende April dieses Jahres vom ÖAMTC veranstalteten E-Fuel-Symposium. Die Pläne der österreichischen Regierung, allein auf Elektromobilität zu setzen und für Autos mit Verbrennungsmotor massiv Steuern zu erhöhen, seien weder zielführend, noch sozial gerecht, so Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung: "Die E-Mobilität ist zwar ein zentraler Faktor für die Erreichung der Ziele - allerdings kann es sich allein mit dieser Technologie nicht ausgehen. Anstatt darüber hinaus ausschließlich über Steuererhöhungen für jene zu diskutieren, die sich den Umstieg auf ein E-Auto nicht leisten können oder wollen, wäre es deutlich zielführender, die bestehende Flotte klimafreundlicher zu machen." Um das Potenzial der nachhaltigen Kraftstoffe, Verbrennungsmotoren deutlich CO2-ärmer oder gar CO2-neutral zu betreiben, nutzen zu können, dürfe es allerdings nicht zum generellen Verbot von Benzin- und Dieselmotoren kommen, so Wiesinger.

Wie ist es um die Effizienz synthetischer Treibstoffe wirklich bestellt?

Haben Benzin, Diesel & Co. aus dem Labor wirklich das Potenzial, den Verkehrssektor auf Nachhaltigkeit zu trimmen? Helmut Eichlseder von der TU Graz betont, dass es für die Erreichung der Klimaziele notwendig sei, die Mobilität auf die Basis erneuerbarer Energien zu stellen. Allerdings, so Eichlseder, unterliegen Sonnen-, Wind- und Wasserenergie, die für nachhaltige und CO2-neutrale Stromerzeugung notwendig sind, saisonalen und sogar tagesabhängigen Schwankungen. Fest steht laut Helmut Eichlseder auch, dass der großflächige Bedarf an sauberer Elektrizität in Europa nicht zu decken sein wird, sodass es nicht ausreiche, nur auf eine einzige Technologie zu setzen. E-Fuels hätten gegenüber dem batterieelektrischen Antrieb den Vorteil, dass einerseits die bestehende Tankstelleninfrastruktur genutzt werden könne, andererseits seien E-Fuels rückwärtskompatibel, könnten also in der bestehenden Fahrzeugflotte genutzt werden.

Jürgen Rechberger von der AVL List argumentiert, dass nicht der Verbrennungsmotor als solcher das Problem darstelle, sondern die Verbrennung fossiler Kraftstoffe in seinem Inneren. Verbrennt man Diesel oder Benzin, entsteht unter anderem CO2, das vorher nicht in der Atmosphäre vorhanden war. Und genau hier setzen laut Rechberger erneuerbare, synthetisch hergestellte E-Fuels an, die im Labor aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt werden. Bei der Verbrennung im Motor wird zwar ebenfalls CO2 freigesetzt, allerdings nicht zusätzlich, sondern nur in der Menge, die vorher für die Erzeugung eingesetzt wurde.

"Wir könnten die komplette Infrastruktur von konventionellem Sprit übernehmen, an den Motoren für Autos sind lediglich kleine Veränderungen in der Verbrennungstechnik notwendig, sagt auch Manfred Fischedick, Professor am Institut für Klima, Umwelt, Energie an der Universität Wuppertal. So blieben auch alle Arbeitsplätze in der Automobilindustrie erhalten, weil keine neuen Antriebstechnologien eingeführt werden müssten.

Das Problem: Hoher Stromverbrauch in der Herstellung von E-Fuels

"Um synthetischen Sprit für eine Strecke von 100 Kilometern herzustellen, braucht man die gleiche Menge Strom, die für 700 Kilometer in einem batterieelektrischen Auto reicht", so Fischedick. Auch eine aktuelle Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) bremst die Hoffnungen in synthetische Kraftstoffe. Diese kommt zu der Erkenntnis, dass es zumindest mittelfristig der falsche Weg wäre, Wasserstoff und die daraus hergestellten E-Fuels für den Antrieb von Pkw zu nutzen. Stattdessen empfehlen die Wissenschafter das batterieelektrische Auto (BEV) als geeignet für eine ökologische Mobilitätswende.

"Solche alternativen Brennstoffe als universelle Klimalösung sind ein falsches Versprechen. Sie sind zwar wunderbar vielseitig, aber es ist nicht zu erwarten, dass sie fossile Brennstoffe auf breiter Front ersetzen können, so Falko Ueckerdt vom PIK. Das könne nur mit einer direkten Elektrifizierung gelingen. Wasserstoffbasierte Kraftstoffe werden wahrscheinlich für mindestens ein weiteres Jahrzehnt sehr knapp und nicht wettbewerbsfähig sein, so die These des Wissenschafters.

Peter Kasten, Forscher in den Bereichen Ressourcen und Mobilität am Öko-Institut in Freiburg, betont den enormen Energieverbrauch bei der Herstellung synthetischer Treibstoffe: "Um ein Prozent des heutigen Verbrauchs von fossilem Sprit im Verkehrsbereich durch E-Fuels zu ersetzen, bräuchte ein Land wie Deutschland 2300 zusätzliche Onshore-Windräder." Die Gesamtanzahl von Windrädern in Deutschland beträgt derzeit etwa 29.500. Die industrielle Herstellung von E-Fuels ergebe demnach vor allem dort Sinn, wo der notwendige erneuerbare Strom günstig produziert werden kann, also in Norwegen (Windkraft) oder in Nordafrika, wo es genug Sonne und freie Flächen für Solaranlagen gebe. "In etwa zehn Jahren könnte der Liter synthetischer Sprit in der Herstellung im besten Fall rund einen Euro, bei pessimistischen Annahmen knapp unter zwei Euro kosten", so die Einschätzung Kastens. Die Herstellungskosten von fossilen Treibstoffen liegen derzeit bei etwa 50 Cent pro Liter.

E-Kraftstoffe dort einsetzen, wo es an Alternativen mangelt

Gerade weil der E-Kraftstoff auf absehbare Zeit knapp und teuer bleiben wird, raten Experten, diesen zielgerichtet dort einzusetzen, wo Alternativen nicht zur Verfügung stehen. Im Verkehrssektor betrifft das vor allem Flugzeuge und Schiffe, aber auch den Fernverkehr per Lkw sowie Baumaschinen und Einsatzfahrzeuge. In all diesen Maschinen stellen Akkus keine echte Alternative zu flüssigen Energieträgern dar, da sie zu schwer und die möglichen Reichweiten zu gering sind. Die größte Hürde auf dem Weg zu einem nachhaltigen Verkehrssystem auf Wasserstoffbasis dürfte allerdings der zu erwartende gigantische Bedarf des mithilfe von nachhaltigen Energiequellen hergestellten grünen Wasserstoffs werden. Denn anders als bei den Autos ist die Umstellung auf grünen Wasserstoff für die Industrie alternativlos. So gut wie jede Form der Schwerindustrie - sei es die Herstellung von Stahl, Zement oder Glas - ist nach dem gesetzlich geforderten Abschied von der extrem umweltschädlichen Stein- oder Braunkohle auf grünen Wasserstoff angewiesen.