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Halbleiter-Lieferengpass: Laptop versus Auto

Ein Lieferengpass bei Halbleitern droht die Absatzkrise zu vertiefen. Unterhaltungselektronik-Riesen kaufen dringend benötigte Computerchips auf.

Ohne Halbleiter ist die Produktion moderner Infotainmentsysteme unmöglich.
Ohne Halbleiter ist die Produktion moderner Infotainmentsysteme unmöglich.

Der Trend ist eindeutig. Schon vor Ausbruch der Pandemie kämpften klassische Automessen rund um den Globus mit massivem Besucherschwund. Während traditionsreiche Events wie der Genfer Autosalon, die Autoshow in Paris oder die IAA in München in eine ungewisse Zukunft blicken, boomen Shows, deren Fokus auf Unterhaltungselektronik liegt. Kein Wunder also, dass die Fahrzeugindustrie immer öfter die schillernde Bühne großer Technik-Events suchen, um ihre eigenen, meist digitalen Neuheiten zu präsentieren. So zeigte BMW unlängst auf der digital durchgeführten CES in Las Vegas die neueste Version seines Bediensystems iDrive. Und schon 2019 nutzte Seat den damals boomenden Mobile World Congress in Barcelona für die Weltpremiere des ersten eigenen Elektrofahrzeugs.

Ohne Elektronik läuft nichts in modernen Fahrzeugen

Nicht nur aus Sicht der Public Relations, auch inhaltlich haben diese Ausflüge der Autohersteller durchaus Sinn. Schließlich läuft ohne Elektronik in modernen Fahrzeugen bekanntlich gar nichts mehr. Umso schwerer trifft die Branche deshalb ein weltweiter Halbleiter-Lieferengpass. Der akute Mangel an Computerchips trifft so manchen Autoriesen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. So musste sogar Branchenführer Volkswagen seine Produktion am Stammsitz Wolfsburg verringern, weil die für Infotainmentsysteme und Bordcomputer essenziellen Chips fehlen. Auch bei VW-Tochter Audi ruht seit dem 18. Jänner die Produktion der Modelle A4 und A5 in den Werken Ingolstadt und Neckarsulm. Der Stillstand soll voraussichtlich noch bis 29. Jänner dauern, insgesamt wurden über 10.000 Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt. Auch bei Daimler sieht man sich mit einem akuten Mangel an Halbleitern konfrontiert. Das Werk in Rastatt, wo neben A- und B-Klasse auch der GLA und das neu präsentierte Elektromodell EQA vom Band laufen, bleibt bis auf Weiteres geschlossen. Das gleiche Bild zeigt sich beim Ford-Werk in Saarlouis: Stillstand bis 19. Februar. Auch der eine oder andere Zulieferbetrieb befindet sich aktuell im Stop-and-go-Betrieb.

Der Hintergrund für die aktuelle Zulieferkrise

Zu Beginn der Covid-19-Pandemie hatten viele Autohersteller und Zulieferer zunächst Lieferungen storniert. Grund war der Produktionsstopp im vergangenen Frühjahr und die daraus resultierenden Absatzeinbrüche. Während die Autobranche ihre eigenen Probleme zu lösen versuchte, orientierten sich die bedeutenden Halbleiterhersteller um und lieferten ihre Chips kurzfristig an andere Industrien. Vor allem die Telekommunikations- und die Unterhaltungselektronikbranche waren dankbare Abnehmer. Dann allerdings ging es mit der Autoproduktion unerwartet schnell wieder bergauf. Allen voran der weltweit größte Markt in China erholte sich rasend schnell - und entwickelte erneut einen enormen Bedarf an Halbleitern. Doch deren Produktion dauert verhältnismäßig lang. Bis zu 800 Prozessschritte sind bis zur Fertigstellung eines Computerchips notwendig. Laut Angabe von Infineon, dem weltweit größten Produzenten von Automotive-Chips, müssen bis zu 130 Tage eingeplant werden, bevor ein neuer Halbleiter ausgeliefert werden kann.

Wer also nicht rechtzeitig nachbestellt hat, sitzt jetzt auf dem Trockenen. Betroffen sind davon vor allem die europäischen und amerikanischen Hersteller. Auch das Ausweichen auf andere Hersteller ist nur bedingt möglich. Chinesische Hersteller fallen aufgrund der US-Sanktionen gegen China für GM, Ford & Co. bis auf Weiteres aus. Und auch bei TSMC in Taiwan, bei dem viele europäische Hersteller fertigen lassen, herrscht viel Unsicherheit. Dabei ist das Phänomen nicht neu. Schon nach der Finanzkrise 2008/09 kam es beim Wiederhochfahren der Autoproduktion zu einer Knappheit bei den Halbleitern.