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Škoda-Unternehmensstrategie 2030: "Die Herausforderung ist extrem"

CEO Thomas Schäfer im SN-Interview über die Škoda-Unternehmensstrategie 2030. Warum nicht jeder Škoda als Hybrid kommen wird und Tschechien eine Gigafactory braucht.

Seit 3. August 2020 ist Thomas Schäfer Vorstandsvorsitzender von Škoda. Bis 2030 will er die VW-Tochter zur rentabelsten Automarke Europas machen.
Seit 3. August 2020 ist Thomas Schäfer Vorstandsvorsitzender von Škoda. Bis 2030 will er die VW-Tochter zur rentabelsten Automarke Europas machen.

Seine Karriere startete Thomas Schäfer (51) 2002 bei DaimlerChrysler, im Mai 2012 wechselte er zur Volkswagen AG. Seit bald einem Jahr ist Schäfer nun Vorstandsvorsitzender von Škoda Auto. Vor wenigen Wochen präsentierte er die neue Unternehmensstrategie der Volkswagen-Tochtermarke bis 2030. Anlässlich der Vorstellung des neuen Kodiaq-Modells nahm sich der studierte Maschinenbauer Zeit für ein ausführliches Gespräch mit den "Salzburger Nachrichten".

Bei der Präsentation der Markenziele bis 2030 haben Sie die drei Stichworte Internationalisierung, Elektrifizierung und Digitalisierung besonders hervorgehoben. Welcher dieser Bereiche hat für Sie oberste Priorität? Thomas Schäfer: Die Elektrifizierung ist zum jetzigen Zeitpunkt der wichtigste Faktor. Unser Enyaq iV hat super vorgelegt und kommt in den Märkten sehr gut an. Die größere Herausforderung besteht nun darin, die enorme Nachfrage zu bedienen.
Wir gehen deshalb mit den Produktionszahlen des Enyaq iV noch einmal nach oben. Man merkt also, dass sich dieser Trend nochmals beschleunigt. In den kommenden ein, zwei Jahren wird dann auch die Digitalisierung einen noch größeren Stellenwert einnehmen. Das Thema Regionalisierung war unterschwellig eigentlich schon immer da. Unser Markteintritt in Indien hat gezeigt, dass wir das als Marke können.

Welcher der drei Entwicklungsmärkte ist für Škoda am wichtigsten: Indien, Russland oder Nordafrika? Indien ist ein extrem tougher Markt. Das hängt damit zusammen, dass dort im Wesentlichen Kleinst- und Kleinfahrzeuge den Markt dominieren. Man braucht viel Volumen, um vorn mitspielen zu können. Der neue Kushaq gibt die Richtung vor: Wir haben ihn in Indien für Indien entwickelt, sprich mit einem hohen Lokalisierungsgrad der Plattform, des Motors und des Getriebes. Das Fahrzeug ist wirklich auf dem Punkt - und das nicht nur für den indischen Markt. Mittelfristig planen wir, den Kushaq auch in anderen Schwellenländern anzubieten. Der Volkswagen-Konzern hat uns die Zuständigkeit für die von Ihnen genannten Märkte übertragen, und ich bin zuversichtlich, dass das gut funktionieren wird. Damit erhöhen wir unser globales Absatzpotenzial bis 2030 auf jährlich insgesamt 1,5 Millionen Einheiten.

Wie stellt sich die Lage in Indien aktuell dar? Indien wurde durch die jüngste Coronawelle ja besonders stark getroffen, das war schon dramatisch. Wir haben deswegen auch Hilfsgüter, unter anderem Sauerstoffgeneratoren, nach Indien geschickt, um vor Ort zu helfen. Unsere Produktion wurde dennoch nur für eine Woche unterbrochen. Mittlerweile sind wir wieder on track. Selbst während der heikelsten Phase hat uns die indische Regierung zugesichert, dass unsere Exportaktivitäten aufrechterhalten werden können. Zudem haben unsere indischen Kollegen tolle Arbeit geleistet.

Wann wird der erste Škoda Kushaq auf Indiens Straßen unterwegs sein? Bald. Bestellt werden kann das Auto bereits. Und wir haben den höchsten Bestelleingang, den es jemals in Indien gab. Um den Kushaq mache ich mir absolut keine Sorgen.

Geht es nach der VW-Konzernstrategie, soll Spanien ein großer E-Mobility-Hub werden. Auch an allen drei Škoda-Standorten in Tschechien werden bereits Akkus produziert. Wie sieht hier die Planung aus? Es ist im Grunde aktuell ein Wettkampf der verschiedenen Länder. Und jedes Land will eine Gigafactory haben. Wichtig ist dabei, dass die tschechische Regierung sie auch möchte. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir für die bevorstehende Transformation eine Gigafactory in Tschechien brauchen. Der Bedarf an Akkus ist massiv. Zudem ist es unser Ziel, die bestehenden Arbeitsplätze zukunftsfit zu machen.

Wann wird da eine Entscheidung fallen? Ich denke, dass eine Entscheidung etwa bis Jahresende feststehen könnte.

Gibt es also keinerlei Tendenzen zugunsten der wichtigen Heimatmärkte der Konzernmarken - also Spanien für Seat oder Tschechien für Škoda? Entscheidend sind die jeweiligen Strukturen und die Bedingungen vor Ort. Das Land, wo die Infrastruktur am besten aufgestellt ist, wird den Zuschlag bekommen. Und natürlich geht es auch um finanzielle Unterstützung des Staats. Das Gesamtpaket muss stimmen.

Sie haben bis zum Jahr 2030 drei neue, reine Elektromodelle unterhalb des Enyaq angekündigt. Werden dafür wie beim Enyaq neue Baureihen eingeführt oder wird es die etablierten Modelle als reine Strommodelle geben? Bestehende Fahrzeuge werden wir nicht elektrifizieren. Wir reden also von drei neuen Modellen. Ob die dann zum Beispiel Octavia heißen werden oder anders, ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht entschieden. Natürlich würden wir einen Bestseller wie den aktuellen Octavia Combi gerne später auch als Elektromodell haben. Andererseits hat sich die Positionierung des Enyaq iV zwischen SUV und Kombi als wahrer Glücksgriff für uns herausgestellt.

Bild: SN/škoda
Wir elektrifizieren nicht nur unsere Produkte, sondern auch unsere Fabriken.
Thomas Schäfer, Vorstandsvorsitzender Škoda

Wie weit ist die Umstellung auf den Elektroantrieb fortgeschritten? Wir haben als Unternehmen immer darauf geachtet, dass wir uns unsere Vorhaben auch leisten können und unsere Investitionen vorher erwirtschaften. Wir elektrifizieren ja nicht nur unsere Produkte, sondern auch unsere Fabriken. Das geht nicht von heute auf morgen. Zumal wir aktuell jede Sekunde dafür nutzen, um Autos zu bauen. Für technische Umstellungen können wir deshalb nur jene Slots verwenden, die ohnehin für interne Arbeiten eingeplant sind. Deshalb erfolgt die Transformation unserer Fabriken schrittweise über die nächsten Jahre. Uns hilft dabei, dass wir Octavia und Enyaq iV schon jetzt sehr flexibel auf einer gemeinsamen Linie fertigen.

Mit einer Reduktion des Flottenverbrauchs um 50 Prozent haben Sie sich ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt. Auf der anderen Seite kommt der neue Kodiaq nicht als Hybrid. Können Sie sich das in Hinblick auf den Verbrauch überhaupt leisten? Ja. Einerseits sind die neuen Benzinmotoren extrem effizient. Dazu kommt, dass wir beim Kodiaq produktionsseitig schon am Limit sind. Mehr Kodiaq als aktuell können wir ohnehin nicht bauen. Eine Hybridisierung des Kodiaq wäre sehr teuer. Wir setzen stattdessen konsequent auf neue, rein elektrische Fahrzeuge.

Ist das eine bewusste Entscheidung gegen eine Form des "Greenwashings" - wenn also auf Teufel komm raus möglichst alle Baureihen als Hybride angeboten werden? Fakt ist, dass Plug-in-Hybride aktuell vor allem aufgrund der staatlichen Förderungen attraktiv sind. Sobald diese wegfallen, sinkt auch die Attraktivität für den Kunden. Wir haben deshalb schon frühzeitig entschieden, die Komplexität unseres Angebots mittelfristig - auch durch die schrittweise Elektrifizierung der Modellpalette - um 40% zu reduzieren. Somit schaffen wir auch unser selbstgestecktes Ziel, den Anteil von vollelektrischen Škodas in Europa bis 2030 auf 50-70% zu bringen.