SN.AT / Leben / Mobilität

Lebensader S-Link im Fokus

Oberirdisch oder unter der Salzach? Bei den Salzburger Verkehrstagen wurden wichtige Aspekte des S-Link-Projekts von einer hochkarätigen Expertenrunde diskutiert.

Der grob angedeutete Trassenverlauf.
Der grob angedeutete Trassenverlauf.
Die Visualisierung der Haltestelle Mirabellplatz.
Die Visualisierung der Haltestelle Mirabellplatz.
Die Visualisierung der Haltestelle Mirabellplatz.
Die Visualisierung der Haltestelle Mirabellplatz.
Die Visualisierung der Haltestelle Mirabellplatz.
Die Visualisierung der Haltestelle Mirabellplatz.

Die Pläne für eine Stadtregionalbahn in Salzburg, die den Flachgau und den Tennengau mit der Stadt Salzburg verbinden soll, sind beinahe so alt wie das Salzburger Verkehrsproblem selbst. Konkrete Pläne und politische Mehrheiten kamen und gingen über die Jahrzehnte ebenso wie so manche mehr oder weniger sattelfeste Finanzierung des Jahrhundert-Verkehrsprojekts. Dennoch unterscheidet sich das jetzige S-Link-Vorhaben in zwei entscheidenden Punkten von allen vorherigen - und bekanntlich gescheiterten - Versuchen, den Salzburger Zentralraum erfolgreich "auf Schiene zu bringen".

Da wäre zunächst der politische Schulterschluss: Noch nie zuvor standen die Entscheidungsträger in Stadt, Land und Bund derart geschlossen hinter dem Projekt. Die wohl einzigartige Konstellation, dass sich Vertreter sämtlicher relevanter Gebietskörperschaften entschieden für die Umsetzung aussprechen, ist vor allem für die Finanzierung entscheidend. Schließlich wird allein der Bund 50 Prozent der Baukosten übernehmen, während Stadt und Land Salzburg je 25 Prozent zu stemmen haben.

"Ich verknüpfe mein politisches Schicksal mit dem Projekt S-Link." Stefan Schnöll, Verkehrslandesrat Salzburg

Als zweiter wichtiger Faktor darf der Umstand gelten, dass mit dem amtierenden Verkehrslandesrat Stefan Schnöll die aktuell wohl größte Zukunftshoffnung der Salzburger ÖVP ihre persönliche Karriere direkt mit der Lösung des leidigen Verkehrsproblems in Verbindung bringt. "Ich verknüpfe mein politisches Schicksal mit dem Gelingen des S-Link-Projekts", gab Schnöll im Rahmen der diesjährigen Salzburger Verkehrstage zu Protokoll und betonte zudem die generationenübergreifende Bedeutung des Vorhabens. "Es handelt sich nicht um die simple Verlängerung einer bestehenden Bahn, sondern um den Versuch eines Gesamtkonzepts für einen Ballungsraum mit einer Million Einwohner im Umkreis von 50 Kilometern rund um die Stadt Salzburg. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir dieses Projekt brauchen, und bemühe mich auch über alle Parteigrenzen hinaus, es möglich zu machen. Und wenn man sieht, mit welcher Dynamik das Ballungsgebiet wächst, kann der S-Link erst der Anfang sein", so Schnöll, der sogar Ideen politischer Mitbewerber wie der von der Stadt-SPÖ geforderten Anbindung des Messezentrums an den Hauptbahnhof sowie der Aktivierung des Stiegl-Gleises für den Personenverkehr etwas abgewinnen kann. Auch die Verlängerung des zukünftigen Nordasts des S-Link - der heutigen Lokalbahn - weiter ins oberösterreichische Innviertel spielt in den langfristigen Planungen eine Rolle.

Mit großem Engagement stellte sich der ÖVP-Jungpolitiker den kritischen Fragen der Fachbesucher und informierte dabei auch über die jüngsten Entwicklungen rund um das Verkehrsprojekt, das nach heutigem Wissensstand mindestens eine halbe Milliarde Euro kosten wird. So sieht die Planung einen Baubeginn des ersten Abschnitts vom Hauptbahnhof bis zum Mirabellplatz im Jahr 2023 vor. Spätestens 2026 soll dann die dortige Station in Betrieb gehen. Über die weitere Trassenführung durch die Altstadt nach Süden und über Anif und Grödig bis nach Hallein soll spätestens Mitte nächsten Jahres endgültige Klarheit herrschen. "Es werden aktuell überall Probebohrungen durchgeführt in einem Ausmaß wie nie zuvor. Wir haben heute ganz andere technische Möglichkeiten als früher, die Bodenbeschaffenheit zu analysieren", betonte Schnöll und nahm damit Bezug auf den gefürchteten Salzburger Seeton, dessen schlammige Konsistenz in der Vergangenheit bereits mehrmals das Aus für Großbauprojekte im Stadtgebiet von Salzburg bedeutete. "Angesichts der Historie haben wir nur einen bedingten Vertrauensvorschuss vonseiten der Bevölkerung. Hier danebenzugreifen ist deshalb keine Option", so der Verkehrslandesrat. "Zum jetzigen Zeitpunkt mit Halbwissen zu argumentieren wäre nicht seriös. Aber wir erkennen im Seeton keinesfalls ein unüberwindbares Hindernis", so Schnöll, der damit auch seine Präferenz für eine unterirdische Querung der Salzach sowie U-Bahn-ähnliche Stationen im Bereich der Altstadt erkennen ließ. Einmal mehr betonte der Verkehrslandesrat aber auch die Notwendigkeit, das bestehende Bussystem der Stadt zu adaptieren und die seines Erachtens ineffizienten O-Bus-Linien grundlegend neu zu planen. "Der Salzburger O-Bus stößt mittlerweile regelmäßig an seine Grenzen, weil er auch im Stau steht. Es gibt unnütze O-Bus-Linien, die zu oft leer fahren und noch dazu an der Stadtgrenze enden. Hier muss man endlich überregional denken."

Um starke Worte war Schnöll auch angesichts der täglichen Staus entlang der B156 von Lamprechtshausen und Oberndorf in Richtung der Stadt Salzburg nicht verlegen: "Im Bereich der Nordeinfahrt sind wir auf einer Infrastruktur unterwegs, die höchstens noch einem Kuhdorf gerecht wird."

Zur zuletzt noch offenen Frage des zukünftigen Betreibers des S-Link stellte der Verkehrslandesrat eine zeitnahe Entscheidung in Aussicht: "Unser Ziel ist die klare Trennung zwischen Betreiber und Eigentümer der Infrastruktur, der aus meiner Sicht Stadt und Land Salzburg sein sollten."

"Das Thema Lärm sollte in Salzburg nicht außer Acht gelassen werden." Arnulf Schuchmann, GF Bayerische Regiobahn

Als einer der renommiertesten Experten im Bereich der Stadtregionalbahnen im deutschsprachigen Raum nahm Arnulf Schuchmann an der Fachdiskussion zum Thema S-Link im Rahmen der Salzburger Verkehrstage teil. Der jetzige Geschäftsführer der Bayerischen Regiobahn hat nicht nur einschlägige Projekterfahrung in Berlin, Hamburg und Zürich, sondern kennt aus seiner beruflichen Zeit bei der Salzburger S-Bahn auch die Situation in der Mozartstadt sehr gut. "Der erste Aspekt ist aus meiner Sicht der innerstädtische Raumbedarf: Wenn ich mir ansehe, wie eng es in Salzburg schon jetzt zugeht, kann ich mir beim besten Willen nichts anderes als eine konsequente unterirdische Linienführung samt Unterquerung der Salzburg vorstellen", so Schuchmann, der allerdings auch einen zweiten Aspekt betonte: "Wenn der S-Link tatsächlich die geplante Lebensader für den Großraum Salzburg werden soll, werden die Züge zwangsläufig auch in der Nacht sowie am Wochenende fahren müssen. Und dann wird auch das Thema Lärm relevant werden." Bei einer oberirdischen Trassenführung sind dem Bahnexperten zufolge massive Anrainerbeschwerden unausweichlich. "Dass Züge beim Bremsen, Beschleunigen und in Kurven quietschen und poltern, ist technisch nicht vermeidbar - vom behördlich vorgeschriebenen Akustiksignal beim Öffnen und Schließen der Türen einmal ganz abgesehen, das ebenfalls 76 Dezibel laut sein muss." Die Empfehlung Schuchmanns: Man sollte den politischen Mut aufbringen, zum jetzigen Zeitpunkt mehr Geld in eine unterirdische Lösung zu investieren und damit der Lärmproblematik von vornherein aus dem Weg gehen. "Die zukünftigen Generationen würden sich über die Weitsicht freuen."

"Schlagadern führen direkt zu den wichtigen Organen und nicht außen herum." Günter Steinbauer, GF der Wiener Linien

An Erfahrung im Bereich der Verkehrs- und Stadtplanung mangelt es auch Günter Steinbauer nicht. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Wiener Linien plädierte im Zuge seines Beitrags zur Podiumsdiskussion für fachlich fundierte Lösungen und kritisierte politisch motivierte dogmatische Entscheidungen. "Viel wichtiger als die Sinnfrage, ob ober- oder unterirdisch, ist auch im Fall Salzburg das Ziel, das Verkehrssystem so effizient wie möglich aufzubauen", so Steinbauer, der bei seinen Ausführungen die Evolution im Allgemeinen und den menschlichen Körper im Speziellen als plastischen Vergleich heranzog: "Verkehrssysteme ähneln im Idealfall dem Blutkreislauf des menschlichen Körpers: Es gibt starke Schlagadern, die die wichtigsten Organe versorgen müssen und deshalb direkt verlaufen und nicht irgendwo außen herum." Generell hätten sich in der Verkehrsplanung Modelle, die sich die Natur als Vorbild nehmen, als die langfristig am tragfähigsten erwiesen. "Bei Verkehrsprojekten handelt es sich um Investitionen, die ihre Wirkung 50 oder 100 Jahre lang entfalten. Je länger man damit wartet, desto später setzt der positive Effekt ein", so Steinbauer, der das Hauptaugenmerk allerdings auf die Kommunikation im Vorfeld richtet: "Für den Erfolg ist es unabdingbar, die Anrainer rechtzeitig zu informieren und mit an Bord zu holen. Wenn man es verabsäumt, zeitgerecht mit den betroffenen Menschen zu reden, dann geht es schief."

"Möglichst direkter, einfacher Zugang mit Tageslicht ist wichtig." Hans Konrad Bareiss, Verkehrsbetriebe Zürich

Bereits in den 1970er-Jahren stimmte die Bevölkerung der Stadt Zürich über den Bau einer U-Bahn ab. Die Entscheidung fiel negativ aus. In der Folge entschied man sich für eine zweigleisige Lösung - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Während beispielsweise die wichtigste Regionalbahn auf dem letzten Kilometer unterirdisch bis zum Hauptbahnhof geführt wird, spielt sich der innerstädtische Verkehr nach wie vor hauptsächlich oberirdisch ab. "Wir haben in Zürich die Erfahrung gemacht, dass Stadtbahnen auch oberirdisch pünktlich und effizient verkehren können. Kreative, konsequente Maßnahmen machen ein Miteinander von Straßenbahnen mit anderen Verkehrsträgern durchaus möglich - vorausgesetzt natürlich, der politische Wille ist da", so Hans Konrad Bareiss von den Züricher Verkehrsbetrieben. Einerseits bringe es Vorteile, wenn beispielsweise Einsatzfahrzeuge im Notfall auch die Trassen der Tram verwenden können. Andererseits gebe es durchaus auch politische Bemühungen, die Trassen zugunsten anderer Verkehrsteilnehmer zu verlegen. "Nicht selten kommt das Argument, man sollte Autos und Tram auf eine Spur zusammenführen, um mehr Platz für zusätzliche Fahrradstreifen zu bauen", so Bareiss. "Das ist eine sehr heikle Situation, wo verschiedenste Interessen aufeinandertreffen und man genau abwägen muss." Wichtig sei jedoch auf jeden Fall, an die Bedürfnisse der Fahrgäste zu denken: "Die Menschen bevorzugen einen ebenerdigen, schnellen und möglichst einfachen Zugang zu den Zügen im Tageslicht."

Spannende Erfahrungen hatte Erich Forster, seines Zeichens Geschäftsführer des ÖBB-Konkurrenten Westbahn, zur Diskussion beizutragen. Während die Westbahn auf der Hauptstrecke zwischen Salzburg und dem Wiener Westbahnhof überregional und somit oberirdisch verkehrt, machte man im Zeitraum zwischen 2018 und 2019 auch Erfahrungen im unterirdischen Bereich: "Damals nutzten wir im innerstädtischen Bereich von Wien auch Teile des S-Bahn-Netzes, das in diesem Bereich überwiegend unterirdisch verläuft", so Forster, der diesbezüglich von großen Herausforderungen sprach: "Im Fall eines technischen Problems oder einer Störung ist die Herausforderung unter der Erde sofort vielfach größer als an der Oberfläche. Unsere Entscheidung, seit Ende 2019 wieder ausschließlich bis Wien-Westbahnhof zu fahren, basiert nicht zuletzt auch auf unseren Erfahrungen mit Störungen im Stadtgebiet von Wien, die Verzögerungen bis zurück nach Salzburg nach sich zogen."

J emand, der die Salzburger Schienen so gut kennt wie kein Zweiter, ist Josef Spiesberger. Der heutige Leiter des Regionalmanagements der ÖBB in Salzburg kam vor mittlerweile 26 Jahren nach Salzburg, um die hiesige S-Bahn zu modernisieren. "Wir haben seither buchstäblich die Lebensader Salzburgs gebaut. Früher waren die Bahnhöfe oftmals im Nirgendwo. Heute sind sie dort, wo auch die meisten Menschen leben", so Spiesberger. Heute nutzen täglich zwischen 25.000 und 30.000 Fahrgäste die Linien S1 und S3, die sowohl den Flachgau als auch das Innergebirg an die Stadt Salzburg anbinden. "Aus meiner Sicht freuen wir uns auf den Tag, an dem Hallein mit dem S-Link verbunden wird und in der Folge von zwei Seiten eine gute Anbindung hat." Aus Sicht des ÖBB-Regionalleiters würde sich dadurch die Situation der Pendler aus dem Süden massiv entspannen. "Man könnte in Hallein entscheiden, ob man mit dem S-Link direkt in die Innenstadt umsteigt oder mit der S3 über den Hauptbahnhof in Richtung Flachgau oder Freilassing weiterfährt." Ein wichtiger Punkt sei naturgemäß, dass diese beiden Hauptschlagadern auch an das bestehende Bussystem angeschlossen werden.