SN.AT / Leben / Mobilität

Mercedes Vision EQXX - das 1000-Kilometer-Auto

Mercedes zeigt anlässlich der CES in Las Vegas den Vision EQXX. Der Prototyp soll das effizienteste Elektroauto sein und zudem eine neue Ära einläuten.

Showcar und Technologieträger: Mit dem Vision EQXX stellt Mercedes-Benz ein E-Auto mit einer beeindruckenden Reichweite vor.
Showcar und Technologieträger: Mit dem Vision EQXX stellt Mercedes-Benz ein E-Auto mit einer beeindruckenden Reichweite vor.
Futuristisch: der Innenraum des Vision EQXX.
Futuristisch: der Innenraum des Vision EQXX.

Erfunden wurde die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas einst als reine Fachmesse für Unterhaltungselektronik. Dennoch - oder gerade deswegen - mischen sich immer mehr Automobilhersteller unter die Software-Entwickler und Computerspiel-Nerds. So auch in diesem Jahr, wenngleich die große Technologieschau aufgrund der verschärften Lage in der Coronapandemie größtenteils nur online über die Bühne gehen kann.

Star der CES 2022: der Vision EQXX

Der unangefochtene Star der diesjährigen Show kommt in diesem Jahr aus Stuttgart: Mit dem Vision EQXX präsentierte Mercedes-Benz Anfang der Woche im Rahmen einer digitalen Weltpremiere ein spektakuläres Forschungsfahrzeug, das mit einer Batterieladung über tausend Kilometer zurücklegen kann. Das entspricht der Distanz von Wien nach Paris und ist in etwa das Doppelte dessen, was die meisten Elektroautos heute schaffen.

„Der Vision EQXX zeigt, wie wir uns die Zukunft des Elektroautos vorstellen.“
Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender Daimler AG

Dass es den Erfindern des Automobils mittlerweile gelungen ist, den technologischen Rückstand auf Elektropionier Tesla deutlich zu verringern, beweist schon das aktuelle E-Flaggschiff EQS, das im Sommer 2021 präsentiert wurde. Vor allem dank der weltbesten Aerodynamik verbraucht der Luxus-Stromer mit rund 16 kWh auf 100 Kilometer in etwa so viel wie der bisherige Spitzenreiter Tesla Model 3. Mit dem jetzigen Prototyp legt man bei Mercedes-Benz jedoch noch eine Schippe drauf. Mit einem cw-Wert von 0,17 liegt der EQXX noch einmal deutlich unter jenem des EQS - des bis dato windschnittigsten Serienautos der Welt mit einem Wert von 0,20. Neben Bestwerten bei Aerodynamik und Gewichtsreduktion glänzt der EQXX vor allem auch dank seiner innovativen Batterietechnologie. Um höhere Reichweiten zu erzielen, führte der Weg bislang meist über leistungsfähigere und damit schwerere Hochvolt-Speicher. Mit dem EQXX will Mercedes nun allerdings beweisen, dass tausend Kilometer Reichweite auch mit einem Akku machbar sind, der in einen Kleinwagen passt. Mit einer nutzbaren Kapazität von rund 100 kWh ist der Energiespeicher des EQXX fast so stark wie jener der Elektro-Luxuslimousine EQS, jedoch nur halb so groß und 30 Prozent leichter. Solarmodule auf dem Fahrzeugdach sowie die außergewöhnlich hohe Bordspannung von 900 Volt sollen die Effizienz weiter steigern.

Nach digitaler Simulation schaffe der Prototyp mehr als 1000 Kilometer Strecke mit einer Batterieladung und verbrauche damit auf 100 Kilometer weniger als zehn Kilowattstunden. Umgerechnet in fossilen Brennstoffverbrauch wäre dies etwa ein Liter pro 100 Kilometer, so Daimler-CEO Ola Källenius. Beeindruckend ist vor allem der hohe Wirkungsgrad des Elektroantriebs: Der liegt laut Herstellerangaben bei 95 Prozent. Andere Elektromotoren erreichen im Normalfall 80 bis 85 Prozent. Bei modernen Verbrennungsmotoren kommt gar nur ein Drittel der eingesetzten Energie tatsächlich auf der Straße an. Angetrieben wird der Vision EQXX von einem 150 kW bzw. 204 PS starken Elektromotor, das Leergewicht liegt bei vergleichsweise geringen 1750 Kilogramm.

Sparsamer Umgang mit Energie und Ressourcen bei Mercedes

Laut Daimler-Entwicklungschef Markus Schäfer will man bei Mercedes künftig extrem sparsam mit der benötigten Energie und anderen Ressourcen umgehen. Bei vielen Bauteilen habe man sich die Natur zum Vorbild genommen und ganz neue Formen genutzt. So kommen beim EQXX beispielsweise im Heckboden bionische Strukturen zum Einsatz. Möglich macht das modernste 3D-Drucktechnik. "Alles, was nicht zwingend benötigt wird, lassen wir weg", so der CTO von Daimler. Die Sicherheit werde davon jedoch nicht eingeschränkt. Auch im Innenraum setzt man auf völlig neue Materialkombinationen. So bestehen die Teppiche aus schnell nachwachsenden Bambusfasern, die Türgriffe aus synthetischer Seide. Statt Leder kommen Oberflächen auf Kaktusbasis zum Einsatz. Die Sitzpolsterung wurde aus einem veganen Material hergestellt, das aus der Wurzelstruktur von Pilzen gewonnen wird. Die Türverkleidungen wiederum bestehen zum Teil aus recycelten PET-Flaschen. Sogar der Stahl für die Karosserie wurde zu 100 Prozent aus Altmetall gewonnen, was den CO2-Abdruck der Produktion massiv senken soll.

Der Prototyp Vision EQXX auch für die Straße

Wenngleich der Vision EQXX ein Unikat bleiben soll, handelt es sich um keine gewöhnliche Studie, die nach ihrer Premiere im Museum verschwindet. So soll der Prototyp auch eine Straßenzulassung erhalten. Anders als bei solchen Showcars üblich wurde das Forschungsfahrzeug nicht überwiegend von Designern gestaltet, sondern entstand direkt in den Fachabteilungen des Unternehmens - und zwar in Rekordzeit. "Beim Vision EQXX haben die besten Köpfe aus unseren Forschungs- und Entwicklungszentren mit Ingenieuren aus unseren Formel-1- und Formel-E-Teams zusammengearbeitet", so Entwicklungschef Schäfer. "Sie beweisen, dass Innovationen aus dem Motorsport - wo die Antriebsstränge bereits hochgradig elektrifiziert sind - unmittelbare Relevanz für die Entwicklung von Straßenfahrzeugen haben. Wir haben binnen 18 Monaten ein Fahrzeug gebaut, das neue Dimensionen eröffnet." Nie zuvor sei ein Mercedes so schnell entwickelt worden. Auch bei der elektrischen Einheitsplattform MB.EA soll die Entwicklungszeit ab Mitte des Jahrzehnts um zwölf Monate sinken.