SN.AT / Leben / Mobilität

Opel-CEO Florian Huettl: "Wir sind jetzt viel agiler"

Opel-CEO Florian Huettl im SN-Interview. Der Chef der Traditionsmarke spricht über den Manta, Wasserstoff und Flexibilität.

Opel-CEO Florian Huettl im Interview.
Opel-CEO Florian Huettl im Interview.

Seit Juni 2022 ist Florian Huettl CEO der Opel Automobile GmbH sowie Mitglied des Top-Executive-Teams von Stellantis. Zuvor hatte der 46-Jährige leitende Positionen bei Stellantis und der Renault-Gruppe in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Russland inne. Im Zuge der Präsentation der GSe-Modelle trafen die SN den neuen Opel-Chef zu einem ausführlichen Gespräch.

Herr Huettl, Ihr Vorgänger als Opel-Chef, Uwe Hochgeschurtz, war rund neun Monate im Amt. Bei Ihnen werden es diese Woche acht Monate - werden Sie schon unruhig? Florian Huettl:(Lacht.) Das war natürlich eine Ausnahmesituation. Mein Vorgänger ist ja nicht Geschichte, sondern hat eine andere wichtige Position im Stellantis-Konzern übernommen. Insofern ist alles gut.

Wie fällt Ihre erste Zwischenbilanz als CEO von Opel aus? In der Autoindustrie erleben wir aktuell natürlich turbulente Zeiten, wir haben es mit sehr vielen Herausforderungen zu tun. Es ist eine Ära des großen Umbruchs. In dieser Phase hat Opel eine sehr klare Orientierung. Wir wissen sehr genau, wo wir hinwollen. Die Marke geht ganz klar in Richtung Nullemissionsmobilität.

Bei Opel gibt es ja einen ganz klar umrissenen Zeitplan: bis 2025 jedes Modell elektrisch verfügbar, bis 2028 in Europa zu 100 Prozent elektrisch. Wie weit ist man in Bezug auf diese Ziele? Wir sind voll auf Kurs. Und was besonders wichtig ist: Wir sehen heute eine extrem gesteigerte Nachfrage nach Elektromobilität allgemein und nach elektrischen Modellen von Opel. Wir sind diesbezüglich sehr gut positioniert, mit dem Corsa-e, dem Mokka-e. Die jetzt präsentierten GSe-Modelle werden mit dem Plug-in-Hybrid in den kommenden Jahren wichtig bleiben. Auch bei den Nutzfahrzeugen haben wir ein extrem attraktives Angebot. Seit 2022 sind wir bei den elektrischen Nutzfahrzeugen Marktführer in Europa. Trotz all der Turbulenzen sind wir sehr optimistisch, weil wir genau wissen, wo wir hinwollen.

Wie stark ist Opel von den allgemeinen Lieferproblemen, dem Halbleitermangel und der mangelnden Verfügbarkeit von Akkus betroffen? Die letzten zwei, drei Jahre waren definitiv sehr herausfordernd. Wir haben es zu tun gehabt mit der eingeschränkten Verfügbarkeit von Halbleitern, mit instabilen Lieferketten, die aus unterschiedlichsten Gründen immer mal wieder ausgefallen sind. Doch unsere Werke haben mit der Zeit gelernt, mit diesen Herausforderungen immer besser umzugehen. Ganz konkretes Beispiel: Wenn man weiß, dass von einem bestimmten Teil in der kommenden Woche nur 80 Prozent geliefert werden, dann muss man in der Zwischenzeit vermehrt etwas anderes produzieren, um die Bänder weiterlaufen zu lassen. Da braucht es dann manchmal auch flexible Arbeitszeitmodelle - all das haben wir mehr gebraucht, als das früher in der Autoindustrie notwendig war. Wir haben uns da viel agiler aufgestellt. Bei den Halbleitern hat sich die Situation zuletzt stetig verbessert. Deshalb rechnen wir aktuell damit, dass es 2023 kein zentrales Problem mehr sein wird. Eine weitere Herausforderung ist aktuell der Mangel an Transportkapazitäten. Wir bleiben auf jeden Fall vorsichtig, aber ich sehe uns als Opel in der Lage, damit umzugehen.

Im Zuge der Umstellung auf den Elektroantrieb kam es in der jüngsten Vergangenheit auch bei Opel in Deutschland zu einem Personalabbau. Ist das Gröbste hier schon geschafft oder wird es in Zukunft noch einmal wehtun? Wir haben in Deutschland klare Prioritäten. In Rüsselsheim bauen wir den Astra als Limousine und Sports Tourer, das Werk dort läuft heute wieder in zwei Schichten, das war vor einem Jahr noch anders. Zudem gibt es viele zukunftsträchtige Forschungsprojekte, etwa zum Thema Wasserstoff. Wir haben hier eine positive Dynamik. In unserem zweiten deutschen Werk in Eisenach bauen wir den Grandland, auch dort läuft trotz der Schwierigkeiten mit den Lieferketten alles sehr stabil. In Kaiserslautern bauen wir mit Partnern an einer Gigafactory für Hochleistungsbatterien.

Konkret nachgefragt: Haben diese Zukunftstechnologien aus Ihrer Sicht das Potenzial, den Personalabbau zu kompensieren, der durch das nahende Ende des Verbrenners notwendig wird? In dem Ausmaß, in dem wir es schaffen, wettbewerbsfähig zu sein und die nötigen Kompetenzen auch zu entwickeln - auf jeden Fall. Es handelt sich um eine Phase des Übergangs. Wir müssen Kapazitäten aus dem klassischen Ingenieurswesen der Vergangenheit auf neue Technologien umstellen. Und das geht bekanntlich nicht von heute auf morgen. Das ist unsere Herausforderung als Arbeitgeber und hier arbeiten wir in enger Abstimmung mit allen Beteiligten, auch den Sozialpartnern, zusammen, um diese Herausforderung zu bewältigen.

Sie haben in letzter Zeit oft das Thema Wasserstoff angesprochen. Wie passt das zur Elektroausrichtung von Opel? Opel hat eine jahrzehntelange Historie beim Thema Wasserstoff, hier ist in der Vergangenheit sehr viel geforscht worden. Wir haben über die Jahre in diesem Bereich eine Menge Know-how angesammelt. Im vergangenen Jahr haben wir es auch geschafft, diese Kompetenz in den Stellantis-Konzern einzubringen, indem wir den Vivaro-e Hydrogen entwickelt haben - also ein elektrisches Nutzfahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb. Diese Technologie wird bereits bei anderen Marken eingesetzt. Damit gehören wir zu einer kleinen Anzahl von Marken, die Wasserstofffahrzeuge schon konkret zum Kauf anbieten können. Aktuell noch beschränkt auf eine Kleinserie, aber wir haben den Plan, diesen Bereich zu industrialisieren. Dafür sehen wir auf jeden Fall Platz auf dem Markt, vor allem bei den gewerblichen Kunden, die emissionsfrei fahren und die Autos sehr schnell wieder auftanken müssen. Es passiert in diesem Bereich gerade sehr viel, in der Schweiz, in den Niederlanden, auch in England. Wie weit das führt, werden wir sehen. Schon im kommenden Jahr werden wir ein weiteres, größeres Nutzfahrzeug mit der Technologie ausstatten.

Und wie sieht es bei den E-Fuels aus? Sind die synthetischen Kraftstoffe für Sie ein Anhängsel des Wasserstoffs oder geht das weiter? E-Fuels bieten ganz grundsätzlich eine Lösung für Verbrennungsmotoren über das Jahr 2035 hinaus. Wir sehen hier starkes Potenzial, vor allem im Bereich des existierenden Fahrzeugbestands, um diesen annähernd mit Nullemissionen zu betreiben.

Und von alldem ist die übergeordnete Elektrostrategie nicht betroffen? Bei den Pkw-Neufahrzeugen gehen wir mit aller Konsequenz und vollster Überzeugung den Weg zur Nullemissionsmobilität - mit batterieelektrischen Antrieben und elektrischen Fahrzeugen, die ihren Strom von der Wasserstoff-Brennstoffzelle bekommen. Und das ab dem Jahr 2028.

Bei Opel setzt man auf etablierte, konventionell angetriebene Modelle, die zusätzlich rein elektrisch angeboten werden. Wollen Sie Ihren Kunden damit ein wenig die Scheu vor dem E-Motor nehmen, indem vertraute Modelle wie der Corsa oder der Astra bestehen bleiben? Natürlich haben wir einige echte Autolegenden im Angebot. Den Corsa gibt es beispielsweise seit 40 Jahren, das ist ein echtes Erfolgsmodell. Genauso ist es auch bei vielen anderen Fahrzeugen von Opel. Ich bin deshalb persönlich sehr froh darüber, dass wir den ersten Schritt in die E-Mobilität mit den sogenannten Multi-Energy-Plattformen gemacht haben. Dadurch ist der Schritt vom Verbrenner-Corsa zum Corsa-e ganz einfach. Das ist ein guter Weg, um Berührungsängste zu zerstreuen. Wir freuen uns schon sehr auf den Astra Electric, den wir noch in diesem Jahr präsentieren werden. Und da werden Sie sehen - das ist einfach ein Astra, mit allem, was ihn ausmacht.

Zumindest als Studie gibt es auch den Manta als Elektrofahrzeug. Wird der E-Manta in Serie gehen? Und gibt es darüber hinaus noch andere Klassiker, die für eine Wiedergeburt infrage kommen? Am Manta arbeiten wir im Moment. Dort wird man neben der aktuellen Technik auch die bekannte Design-DNA von Opel sehen, einen Mix aus Inspiration aus der eigenen Vergangenheit und konsequenter Zukunftsorientierung. Mit sehr klaren Linien und wenig Ablenkung. Das wird ein komplett neues Auto und hat wenig mit unserem Manta GSe als Elektromod zu tun, der für so viel Furore gesorgt hat.

Was hat Sie bewogen, den Chefsessel von Opel zu übernehmen? Der Stellantis-Konzern ist für mich ein spannender Player, weil er über insgesamt 14 Marken verfügt. Hier kommt extrem viel Know-how aus der ganzen Welt zusammen. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, voneinander zu lernen. Was Opel angeht: Ich komme aus Aschaffenburg, 50 Kilometer von Rüsselsheim entfernt. Mein erstes Auto war ein Opel Corsa A. Und es erfüllt mich mit großem Stolz, an der Spitze eines solchen deutschen Traditionsunternehmens zu stehen. Das ist für mich Ehre und Verantwortung zugleich.