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Radfahren in Theorie und Praxis

Seit Anfang März ist Angela Francke die erste Universitätsprofessorin für Radverkehr in Deutschland. Bei den Salzburger Verkehrstagen spricht sie darüber, warum das Fahrrad das Zeug zum Hauptverkehrsmittel hat.

<br />Angela Francke ist die erste Universitätsprofessorin für Radverkehr in Deutschland.
<br />Angela Francke ist die erste Universitätsprofessorin für Radverkehr in Deutschland.

Seit Anfang des Jahres 2021 werden in Deutschland sieben Stiftungsprofessuren für Radverkehr eingerichtet, die mit je 400.000 Euro gefördert sind. Eine dieser Professuren hält Angela Francke.

Seit 1. März dieses Jahres sind Sie die erste Professorin für Radverkehr in Deutschland. Wie kam es dazu? Angela Francke: Ich forsche bereits seit über zehn Jahren zu nachhaltiger Mobilität und seit 2015 auch verstärkt zum Radverkehr. Für mich ist das ein Herzensthema, da ich den Radverkehr und vor allem dessen Förderung als eine wichtige Säule zur Erreichung der Klimaziele sehe. Die Fahrradnutzung weist ein hohes Potenzial auf - hier wird mehr Forschung benötigt. Ich freue mich, dass ich dazu beitragen kann mit meiner Arbeit, und setze mich für die Weiterentwicklung des Fahrrads und der umweltfreundlichen Mobilität auf allen Ebenen ein. Um Städte umweltfreundlicher gestalten zu können und auch die Bevölkerung mitzunehmen, ist es wichtig, dass Maßnahmen entwickelt werden, die langfristig für mehr Radverkehr sorgen.

Wie darf man sich Ihren beruflichen Alltag vorstellen? Mit welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen setzen Sie sich auseinander? Mit der Stiftungsprofessur Radverkehr möchte ich neue Schwerpunkte in Lehre und Forschung zum Radverkehr setzen. Mir ist dabei die Förderung der nachhaltigen Mobilität wichtig, geleitet von der Frage, wie das Fahrrad im Zusammenspiel mit allen anderen Verkehrsteilnehmenden das Verkehrsmittel der ersten Wahl werden kann. Dabei betrachte ich wesentliche Aspekte von verkehrspsychologischen Hintergründen über empirische Datenanalyse von Mobilitätsverhalten bis hin zu internationalen Radverkehrslösungen. Ein Aspekt ist beispielsweise die Analyse der Entscheidungsfaktoren für das Pendeln mit E-Bikes über längere Distanzen. Für die Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung der aktiven Mobilität müssen individuell passende Radnetze entwickelt werden. Dazu sind insbesondere auch Daten notwendig, auf welchen Strecken sich Radfahrer besonders wohlfühlen und welche Strecken häufig genutzt werden.

Welche Rolle kann das Fahrrad in Zukunft für die urbane Mobilität spielen? Der Radverkehr kann einen wichtigen Beitrag leisten, insbesondere dann, wenn es gelingt, Autofahrende für das Radfahren zu begeistern. Aktuell kommt speziell in Deutschland sehr viel Bewegung von politischer Seite zur Förderung des Radverkehrs. Viele Maßnahmen gilt es jetzt auch schnellstmöglich und flächendeckend umzusetzen. Es ist sinnvoll, dass Verkehrsversuche und Testphasen einfacher umsetzbar sind, denn so können die Bürger im Gestaltungsprozess mitgenommen werden. Mit solchen Reallaboren kann festgestellt werden, ob die geplante Flächenverteilung eine gute Lösung für diese Stelle ist oder ob nach Alternativen gesucht werden muss. Ein Tempolimit von 30 km/h in den Städten, wie zuletzt in Spanien ausgewiesen, würde einen wichtigen Baustein darstellen, dass sich alle Verkehrsteilnehmer sicher fühlen.

„Der Anteil des Radverkehrs wird auf jeden Fall weiter steigen“
Angela Francke, Professorin für Fahrradverkehr

Welche politischen Maßnahmen wären Ihrer Meinungnach in Städten zusätzlich notwendig? Wichtig ist, dass nicht nur eine einzelne Maßnahme umgesetzt wird, sondern dass ein Zusammenspiel aus Push- und Pull-Maßnahmen wirkt, und dass sinnvolle Alternativen geschaffen werden, um von A nach B zu kommen. Der öffentliche Nahverkehr ist dabei ein Baustein, das Radfahren ein anderer. Beide Verkehrsmittel haben verschiedene Vorteile, die es clever zu nutzen gilt. Das Radfahren hat in Städten einen großen Vorteil: Auf Strecken von bis zu fünf Kilometern ist es das schnellste Verkehrsmittel im innerstädtischen Bereich. Insbesondere dann, wenn das Rad direkte Wege nutzen und besonders zeitnah abgestellt werden kann. Es ist wichtig, dass eine integrierte Verkehrsplanung vorgenommen wird und dass auch intermodale Schnittstellen vereinfacht werden, etwa die Fahrradmitnahme in Bussen.

Sie haben selbst in Dresden Verkehrspsychologie studiert. Inwiefern ist es eine Kopfsache, das Auto stehen zu lassen und mit dem Rad zu fahren? Viele Kriterien beeinflussen die Wahl des Verkehrsmittels. Einer der wichtigsten Faktoren für die Radnutzung ist das individuelle, subjektive Sicherheitsgefühl. Fühlt man sich sicher und wohl, wird das Radfahren positiv gesehen und mit Spaß verbunden. Darüber hinaus ist das Radfahren eine aktive Mobilitätsform, was zur Folge hat, dass Strecken mit weniger Steigungen und geringeren Umwegen sowie einer kurzen Fahrzeit das Fahrrad im Alltagsverkehr attraktiver machen. Ist die Strecke dann auch noch schön zu fahren - etwa durch einen Park und mit ebenen Straßenbelägen -, nutzen Radfahrer diese Strecken gern. Es ist also nicht nur eine Einstellung, sondern das Verhalten wird gefördert durch die Umgebung. Das merken wir, wenn Personen, die sonst nie geradelt wären, in einer fahrradfreundlichen Stadt damit anfangen und sich wundern, dass sie es vorher nie getan haben. Um so eine Einstellung zu beeinflussen - auch unabhängig von der Infrastruktur -, heißt es im Umkehrschluss, dass wir alle Akteure mit ins Boot holen sollten, vom Arbeitgeber über Kommunen bis hin zu den Schulen und dem eigenen Zuhause. Auch äußere Einflüsse können die Fahrradnutzung verändern: ein Umzug, die Geburt eines Kindes ebenso wie die Coronapandemie. Radfahrer fühlten sich 2020 auch sicherer, weil weniger Autos unterwegs waren. Ich glaube deshalb, dass der Anteil des Radverkehrs auf jeden Fall weiter steigen wird. Um die neu Dazukommenden dauerhaft auf dem Rad zu halten, brauchen wir aber mehr Platz für Rad- und Fußverkehr und entsprechende Investitionen.

Zur Person:

Dr. Angela Francke studierte an der TU Dresden Verkehrswissenschaft mit dem Schwerpunkt Verkehrspsychologie. Ab 1. März besetzte sie die Professur für Radverkehr an der Universität Karlsruhe. Mit 1. Oktober wechselt sie an die Universität Kassel und übernimmt dort die Professur für Radverkehr und Nahmobilität.

Eine Karriere rund ums Rad

2019
Im Jahr 2019 erhielt Angela Francke eine Auszeichnung des VCÖ für ihre Promotion zum Thema "Differenzierte Preissysteme im urbanen Verkehr zur Förderung von umweltfreundlichem Mobilitätsverhalten".

1. Oktober
Am 1. Oktober 2021 wechselt Deutschlands erste Fahrrad-Professorin an die Universität Kassel.

100 Jahre
Über 100 Jahre alt ist das älteste Stück in Angela Franckes privater Sammlung historischer Räder.