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Renault 5: Renaissance einer Ikone

Auf seinem Erfolgsweg meidet der italienische Automanager meist ausgetretene Pfade.

Renault fordert Volkswagen & Co heraus. Im Bild Luca de Meo, CEO Renault.
Renault fordert Volkswagen & Co heraus. Im Bild Luca de Meo, CEO Renault.

Vor etwas mehr als einem Jahr übernahm der damalige Vorstandsvorsitzende von Seat, Luca de Meo, seinen neuen Job als CEO der Renault-Gruppe. Auf der IAA Mobility in München gewährt der 54-jährige Automanager aus Mailand den "Salzburger Nachrichten" einen Einblick in seine Vorstellungen von der Zukunft des Automobils.

Mit dem Renault 5 kommt 2024 ein kompakter Stromer, Konkurrent VW plant ein Jahr später ebenfalls ein Elektroauto zu einem Einstiegspreis zwischen 20.000 und 25.000 Euro. Vor der Elektrifizierung lagen die Einstiegspreise bei rund 10.000 Euro. Luca de Meo: Wir alle werden akzeptieren müssen, dass Autos durch die Kosten der neuen Technologien teurer werden. Leistungsfähige Smartphones kosten heute auch mehr als die alten Nokias und Blackberrys. Unsere Herausforderung besteht darin, so tolle Autos zu bauen, dass die Menschen gerne bereit sind, ein Smartphone anstatt eines alten Handys mit Knöpfen zu kaufen. Natürlich werden die Preise für Kernkomponenten wie die Akkus durch die Weiterentwicklung und die Skalierung sinken. Aber die aktuelle Energiewende wird überwiegend von den Reichen bezahlt werden. Wir als Renault versuchen diese Herausforderung zu lösen, indem wir Alpine im oberen Preissegment elektrifizieren. Doch am anderen Ende haben wir immer noch die Marke Dacia. Hier versuchen wir natürlich ebenso, allen gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden, beschränken uns allerdings in allen Bereichen auf das Wesentlichste. Schauen Sie sich den Siebensitzer für 15.000 Euro an, den wir soeben präsentiert haben. Das ist ein gutes Angebot auch für Autokäufer, die sich ansonsten am Gebrauchtwagenmarkt umsehen.

Sie haben die Skalierung als eine Lösung genannt. Wie weit wird die Zusammenarbeit mit Ihrem Partner Nissan bei den Elektroautos gehen? Unsere Strategie sieht vor, dass wir unsere Modelle gemeinsam mit Nissan im Wesentlichen auf drei globalen Plattformen aufbauen. Dabei nutzen wir dieselbe Batterietechnologie und arbeiten mit den gleichen Zulieferern. Der Anteil der identen technischen Komponenten wird konzernintern dank der neuen Elektro-Plattformen auf 80 Prozent steigen. Das ist fixer Bestandteil unserer Konzernstrategie "Renaulution". Nun überlegen wir, welche Strategien wir im Bereich der elektronischen Komponenten, der Software und der Konnektivität verfolgen werden. Wir wollen Synergien nutzen, allerdings nicht zulasten der Individualität der Marken und Modelle.

Wie weit können die Synergien gehen? Theoretisch müsste die Antwort logischerweise heißen: je höher, desto besser fürs Geschäft. Ehrlicherweise habe ich daran meine Zweifel. Denn was würde passieren, wenn man irrtümlich fehlerhafte Komponenten für alle vereinheitlicht? Dann sind die Komponenten plötzlich überall fehlerhaft. Wenn man Nudeln, Tomaten, Olivenöl und Salz als Zutaten zur Verfügung hat, kann man daraus kein Sushi zubereiten. Dann braucht man Reis, Fisch und Wasabi. Offenbar herrscht in der Autoindustrie die Überzeugung, dass Größe der einzige Erfolgsfaktor ist. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass durch ständiges Wachstum die Komplexität irgendwann derart hoch ist, dass man das Unternehmen nicht mehr kontrollieren kann. Ich bin bei Renault angetreten, um die Marke wieder zu dem zu machen, was früher schon einmal war: ein Hersteller von einzigartigen, kreativen Produkten wie dem Espace, dem Twingo oder dem Renault 5. Man braucht Einzigartigkeit.

Was ist Ihrer Meinung nach die nächste große Herausforderung? In den letzten fünf, sechs Jahren haben wir viel Zeit in die Energiewende investiert. Für mich wird das vernetzte Fahrzeug das nächste große Ding - mit allen Vorteilen, die moderne Soft- und Hardware für die Käufer mit sich bringt. Das ist für Autobauer besonders schwer, weil wir bis dato in Hardware gedacht haben. Ich bin der Meinung, dass diese Herausforderung größer ist als jene der Elektrifizierung.

Wird das autonome Fahren auch dazugehören? Das hängt davon ab, wie das Geschäftsmodell dahinter aussehen wird. Für Fahrdienstleister ist die Rechnung vergleichsweise einfach: Wenn das Auto selbst fährt, spart man sich die hohen Kosten für die Fahrer. Doch das gilt heute noch nicht für uns. Wir zahlen ja nicht den Fahrer, sondern verkaufen die Autos. Andererseits könnten gewisse autonome Funktionen die Produktivität eines Gewerbetreibenden derart steigern, dass es für uns als Hersteller sehr wohl zum Geschäftsmodell wird.

Manche Mitbewerber investieren aktuell Milliarden in eigene Software-Abteilungen. Wie sehen Sie Renault im Vergleich dazu gerüstet? Sehr gut. Wir haben bereits vor vier Jahren ein Forschungszentrum von Intel in Frankreich gekauft. Damit haben wir 1000 Experten, die genau die Fähigkeiten besitzen, die wir in den kommenden Jahren benötigen werden. Unsere Mitbewerber verfolgen meist einen Ansatz, der äußerst vertikal strukturiert ist, wo möglichst alles selbst erledigt wird. Wir denken hingegen überwiegend horizontal. Die Situation ist vergleichbar mit Smartphone-Betriebssystemen: Während bei Apple alles aus einer Hand kommt, geht Android eher in Richtung Open Source. Wir sehen uns eher als Android. Das gleiche Konzept verfolgen wir im Rahmen unserer "Software République", wo wir auf Basis eines offenen Systems gemeinsam mit unseren Partnern neue Lösungen für nachhaltige Mobilität entwickeln und vermarkten.

Welche Autos werden aus Ihrer Sicht die nächsten "Gamechanger"? In jedem Fall Autos, die der Markt von einer Marke erwartet. Im Fall von Renault sind das emotionale, elektrische Modelle wie der Mégane E-Tech, der neue Renault 5 oder die nächste Alpine. Wir versuchen, diese Erfolgsmodelle auf authentische Art neu aufzuladen. Viele der heutigen E-Autos überfordern die Käufer. Wieso macht man das? Der Umstieg auf Elektro fordert die Kunden bereits mehr als genug.