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Stadtverkehr: Open Source für die Straße von Citroën

Urbane autonome Mobilität der Zukunft. Ein Zusammenschluss dreier innovativer Unternehmen aus Frankreich arbeitet an Lösungen für den städtischen Verkehr von morgen. Noch sind die Pläne von "The Urban Collëctif"nur Science-Fiction.

Blickt man auf die Geschichte der individualen Mobilität in Europa zurück, stößt man zwangsläufig über Meilensteine aus dem Hause Citroën.

Citroëns Pioniertaten

Und damit sind nicht nur legendäre Autos wie der Traction Avant von 1934, die "Göttin" DS oder die "Ente" 2CV gemeint. Vor allem die Anfangszeit des 1919 gegründeten Unternehmens, aber auch die Nachkriegsjahre sind geradezu gespickt von Pioniertaten, deren Bedeutung auch immer wieder über die des reinen Automobilbaus hinausreicht. So bot Citroën vor exakt 100 Jahren als erster Hersteller überhaupt seinen Kunden Leasing- und Leihfahrzeuge an. Wenige Jahre danach führte der Hersteller als erstes Unternehmen in Europa das 13. Monatsgehalt ein, gab eine einjährige Garantie auf Neuwagen und montierte in ganz Frankreich insgesamt 165.000 Straßenschilder und Wegweiser auf - stets versehen mit dem Untertitel "Gestiftet von Citroën".

Auch in Zukunft will Citroën die Mobilität mitbestimmen

Geht es nach Vincent Cobée, seit Anfang 2020 CEO von Citroën, so soll die französische Traditionsmarke, mittlerweile Teil des internationalen Multimarkenkonzerns Stellantis, auch weiterhin eine bestimmende Kraft darin sein, wie wir uns in Zukunft fortbewegen. Eine erste Leuchtrakete, wie man sich in Vélizy-Villacoublay die Mobilität von morgen vorstellt, kam 2020 in Form des rein elektrischen Mikromobils Citroën Ami: Der nicht einmal zweieinhalb Meter lange Würfel auf Rädern, der sich binnen drei Stunden an jeder Haushaltssteckdose aufladen lässt, bietet Platz für zwei Personen und mit bis zu 75 Kilometern gerade genug Reichweite für einen Tag im Großstadttrubel.

Wenngleich der Ami in vielen Märkten noch nicht verfügbar ist - so auch in Österreich -, lässt Citroën nun erneut mit kreativen Ideen von sich hören.

"The Urban Collëctif": Ziel ist den Verkehr in der Stadt flüssiger zu machen

Unter der Bezeichnung "The Urban Collëctif" hat sich der Autohersteller mit der Hotelkette Accor sowie JCDecaux, einem der weltweit größten Unternehmen für Außenwerbung, zusammengetan. Gemeinsam haben die drei französischen Vorzeigefirmen ein Mobilitätskonzept entwickelt, das auf einem Open-Source-Modell mit dem Namen Citroën Autonomous Mobility Vision basiert. Dessen Ziel besteht darin, den Stadtverkehr der Zukunft flüssiger und angenehmer zu machen, damit alle Menschen die Annehmlichkeiten großer Metropolen nutzen können, ohne dabei Nachteile wie Luftverschmutzung, Platzmangel oder Verkehrsstaus in Kauf nehmen zu müssen.

Transportroboter auf Basis des Citroën Skate kombiniert mit Pods

Die Basis des Modells bildet eine Flotte von 35 autonom agierenden Transportrobotern, die nonstop durch die Städte fahren und mit einzigartigen Aufbauten - den sogenannten Pods - kombiniert werden können. Der technische Unterbau, der Citroën Skate, fungiert dabei als Medium und Träger der Mobilität, während der Pod, der an den Citroën Skate angedockt ist, seinen Nutzern ermöglicht, den von ihnen bevorzugten Service zu genießen, wann immer sie wollen. Die Fahrzeuge sind so konzipiert, dass sie auf speziellen Fahrspuren unterwegs sind und mit autonomen Technologien der Stufe 5 ausgestattet sind, die aufgrund ihrer hohen Kosten nicht für den Einsatz in Personenkraftfahrzeugen vorgesehen sind.

Um das autonome Fahren rentabel zu machen, verzichtet der Skate auf überflüssige Technologie. Mit Batterien, Elektromotor sowie Radar- und Lidarsensoren ist der Citroën Skate eine Art vollautonomes und rein elektrisches Tech-Skateboard, das per Induktion aufgeladen wird und praktisch ununterbrochen, 24/7, mit Geschwindigkeiten von bis zu 25 km/h unterwegs sein kann. Die integrierte Plattform ermöglicht es den Pods, sich je nach Bedarf zu bewegen. Der Wechsel von einem Pod zum anderen soll in wenigen Sekunden geschehen. Bei den von Goodyear entwickelten Rädern handelt es sich um omnidirektionale 360-Räder mit kugelförmigen Reifen. Sie sind mit kleinen Elektromotoren ausgestattet und ermöglichen eine 360-Grad-Bewegungsfreiheit, sodass der Citroën Skate in jede beliebige Richtung fahren, sich auf der Stelle drehen und so in die kleinsten Zwischenräume und Lücken vordringen kann.

"Bei Citroën untersuchen wir mittel- und langfristige Trends, um die Erwartungen und Bedürfnisse der Verbraucher zu antizipieren. Wir glauben, dass dieses neue Konzept den Rahmen für die urbane Mobilität neu definieren kann: geteilt, elektrisch und autonom. Mit der Lösung, die wir in Partnerschaft mit Accor und JCDecaux vorstellen, erfinden wir die autonome Mobilität für alle", so Citroën-CEO Vincent Cobée.

Pods sind Kern des Open-Source-Mobilitätskonzepts

Den eigentlichen Kern des Open-Source-Mobilitätskonzepts bilden aber die Pods. Während der "Sofitel En Voyage Pod" mit seiner Kombination aus Glas und Intarsien an die moderne Interpretation einer klassischen, komfortablen Pferdekutsche erinnert, ist der "Pullman Power Fitness Pod" eine Art hypermodernes Fitnessstudio auf Rädern. Ein digitaler Coach, der auf einem holografischen Bildschirm eingeblendet wird, soll die Fahrgäste zu sportlichen Spitzenleistungen motivieren, während das Training auf dem Rudergerät oder dem Fahrrad(!) sinnigerweise dazu genutzt wird, die Batterien des Citroën Skate aufzuladen.

Vergleichsweise ruhiger und vor allem komfortabler geht es im "Sofitel en Voyage" zu. Alles ist auf maximalen Komfort ausgerichtet: die Bar, die sich wie eine Blume öffnet, um Getränke und Snacks anzubieten, dazu ein Soundsystem, Induktionsladegeräte und eine konfigurierbare Stimmungsbeleuchtung. Mittels Videoschaltung über das Touchscreen-Tablet kann mit dem Concierge-Service eine Restaurant- oder Theaterreservierung vereinbart werden.

Der dritte Pod des Mobilitätskonzepts hört auf den Namen JCDecaux und entstammt der Partnerschaft von Citroën mit dem Weltmarktführer für Außenwerbung. Inspiriert von den ergonomischen Stadtmöbeln, die JCDecaux in über 80 Ländern weltweit anbietet, bietet der Pod zwei einladende Räume, die sich unter einem begrünten Dach gegenüberliegen: einen offenen Bereich, der durch ein Vordach vor der Witterung geschützt ist, und einen mit Glas verschlossenen Bereich. Bis zu fünf Personen sollen so in einer hellen und komfortablen Umgebung reisen können - stets mit perfekter Sicht auf die Stadt.

Laut Prognosen der Weltbank werden bis 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Gleichzeitig hat die Covid-19-Pandemie die Erwartungen der Stadtbewohner an sicherere, flexiblere, individuellere Verkehrsmittel erhöht und beeinflusst damit die Entwicklung des Stadtbilds und intelligentere Mobilitätslösungen der Zukunft. Geht es nach Citroën, so könnte der Skate die Basis für zahlreiche weitere Pods von unterschiedlichsten Drittanbietern wie Städten, Behörden oder Unternehmen werden.