SN.AT / Leben / Mobilität

Volkswagen: Neue E-Modelle und Motorengeneration

Volkswagen muss Dieselproblematik, Elektrifizierung und Werkeumbau schaffen. Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann erklärt, wie das gelingen wird.

Zwei Vertreter aus der kommenden elektrischen I. D.-Familie von Volkswagen: Hier der Crozz...
Zwei Vertreter aus der kommenden elektrischen I. D.-Familie von Volkswagen: Hier der Crozz...
...und der autonom fahrende große Vizzion.
...und der autonom fahrende große Vizzion.

Jürgen Stackmann (56) begann nach Diploma in Betriebswirtschaft und Marketing seine Karriere 1989 bei Ford in Köln und wechselte 2010 zum VW-Konzern, wo er zuerst Marketingvorstand von Škoda und 2013 Markenchef von Seat wurde. Seit November 2015 ist er VW-Vertriebsvorstand.

Wie viel Sorgen bereiten Ihnen die Pläne von US-Präsident Trump bezüglich Einfuhrzöllen für Autos? Jürgen Stackmann: Wir beobachten die Entwicklung sehr genau. Es ist noch unklar, was passieren wird. Für Autohersteller mit langfristigen Investitionen ist Free Trade sehr wichtig. Jegliche Form von Zöllen macht das Leben für alle schwer. Mögliche Auswirkungen sind jetzt aber noch spekulativ. Wir sind ja in Nordamerika auch noch mit dem dortigen Freihandelspakt NAFTA betroffen, weil wir Werke auf beiden Seiten der Grenze haben, in Chattanooga/Tennessee und in Puebla/Mexiko. Insgesamt kann man sagen: Wir wünschen uns so viel Freihandel wie möglich.

Wie geht es Volkswagen aktuell in den USA? Wir bauen die großen Volumina, die in den USA abgesetzt werden, drüben. Atlas, Passat, Jetta, Tiguan kommen aus der Region. Der Atlas läuft von Monat zu Monat besser, bekommt neue Kundschaft. Im ersten halben Jahr waren es 70 Prozent Volkswagen-Besitzer, jetzt sind wir bei 70 Prozent Kunden von Fremdfabrikaten. Die Marke entwickelt sich. Der Tiguan XL lief sehr gut an. Der ist wichtig für die gesamte Region, genauso wie unser Brot-und-Butter-Auto Jetta.

Es tauchen immer wieder neue Probleme als Folge von "Dieselgate" auf. Wie schätzen Sie die Lage ein? Wir sehen in den USA klar. Wir
haben entschieden, Diesel bei VW aus dem US-Markt herauszuhalten. Wir setzen auf Benziner und die kommende Generation E-Autos.
In Europa ist die Diskussion leider abgehoben von jeder Sachlichkeit. Wir sehen nur, dass die Debatte um den schmutzigen Diesel zu großer Verunsicherung bei den Kunden führt. Dass die Nachfrage nach Diesel zurzeit bei allen Herstellern sinkt, ist schade, weil uns Diesel einen großen Schritt näher an das Erreichen der notwendigen CO2-Ziele bringt.

Hat Diesel Zukunft? Wir halten als Marke und Organisation klar am Diesel fest. Die neue Motorengeneration ist eine neue Dimension, extrem sauber. Für Langstrecken, Vielfahrer und große und schwere Fahrzeuge ist der Diesel eine alternativlose Technologie. Allerdings wird sie sich wohl aus kleineren Fahrzeugen zurückziehen.

Wie sehen Sie die gerichtliche Zulassung regionaler Fahrverbote? Für die Konsumenten ist das schwierig, da ein Flickenteppich von Reglementierungen entsteht. Es geht um wenige Städte und dort um wenige Straßen. Wir sollten auch über Lösungen für flüssigeren Verkehr reden. Das Vertrauen in Gesetze muss gewahrt bleiben.

Wie groß wird die Teuerung bei Dieselmodellen mit modernster Abgastechnik sein? Wir reden da nicht über einen kleinen dreistelligen Betrag, sondern der wird größer sein, was die weitere Reduzierung von CO2 kosten wird. Deshalb werden Dieselmotoren in kleineren Modellen für Kunden einfach zu teuer werden.

Werden Sie Ihre Absatzziele von mittelfristig 25 Prozent mit E-Autos erreichen? Die Kunden werden elektrisch fahren wollen. Diese Fahrzeuge gelten als modernes Statement, sehen auch neu und frisch aus. Jetzt ist der Effekt noch in keiner Tabelle zu sehen. Wenn Sie in einem Raum den neuesten konventionellen
Modellen und den künftigen elektrischen gegenüberstehen, werden Sie sehen, dass die E-Modelle attraktiv sind: durch andere Proportionen und Formensprache. Wir wollen in Europa und China auf 25 Prozent Anteil kommen, in Süd- und auch in Nordamerika wird das nicht machbar sein. Wenn die
Ladeinfrastruktur geschaffen wird wie angekündigt, hat die E-Mobilität wohl hohes Durchbruchspotenzial. Wir glauben, dass wir es mit tollen und leistbaren Produkten mit hoher Reichweite und Vernetzung schaffen können. Mit Produkten, die ein Statement sind.

Hohe Reichweite bedeutet? Nach neuem Messzyklus (WLTP) 600 Kilometer, vier Fünftel davon sind der reelle Wert. Reell zirka 450 Kilometer zu erreichen spricht wohl die meisten Kunden an,
außer die extremen Vielfahrer.

Was bedeutet der Übergang zu mehr E-Modellen für Werke und deren Mitarbeiter? Massiven Stellenabbau? Und wo werden die E-Autos gebaut? Wir arbeiten seit einem halben Jahr am "Zukunftspakt", der
außerhalb des Unternehmens oft als Abbauplan verstanden wird, der er aber nicht ist. Es ist ein
Umbaupakt. Wir wollen Effizienz erreichen, aber Teil des Plans ist auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze für neue Spezialisten. Wir wollen 9000 Plätze neu besetzen und suchen die Mitarbeiter hierfür, Software-Ingenieure zum Beispiel wie ein Start-up-Unternehmen. Nichtsdestotrotz ist die Wertschöpfung im Motoren- und Getriebebau bisher höher als bei E-Antrieben, wo noch mehr Automatisierung greifen wird. Wir werden unsere Komponentenwerke Stück für Stück auf die neue Lage einstellen. Der Abbau von Stellen wird sozialverträglich zum Beispiel durch Altersteilzeit und Pensionierungen erfolgen. Das zentrale Werk für E-Mobilität im Konzern wird in Zwickau sein, da wird bis Ende 2019 komplett umgestellt. Derzeit bauen wir dort den Passat und den Golf Variant. In Summe ist der Abbau von 23.000 Stellen bei 200.000 Mitarbeitern in Deutschland bis 2025 vorgesehen - bei 9000 Neueinstellungen.

Können Sie schon jetzt sagen, ab wann Volkswagen mit E-Autos Geld verdienen wird? Generell erwarten wir es schon mit der ersten Generation der I. D.-Familie. Das ist keine unrealistische Perspektive. Man muss bedenken, dass wir dafür eine komplett neue Plattform sowohl für die Architektur als auch für die Vernetzung schufen. Die I. D.-Familie ist mit Megasensorik für höchstmögliche Stufen der Autonomie ausgerüstet. Das rechnet sich nicht sofort mit Einführung.

Wie viele Modelle wird I. D. umfassen? Wir starten mit den vier, die wir schon zeigten: Ab 2020 der kompakte für Europa, danach kommt das Weltauto, das elektrische SUV, von dem es mehrere Varianten geben wird. Wir denken, dass die SUV-Attraktivität mit E-Antrieb genauso weitergeht. Dann eine globale Limousine, außen so groß wie der nächste Passat, innen so groß wie der Phaeton war. Und dann noch mit dem I. D. Buzz ein MPV. Das Portfolio wird sich danach sehr schnell auffächern.