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Warten auf den Wasserstoff

Besonders mutige Hersteller bringen neue Modelle mit Brennstoffzelle auf den Markt. Doch von seiner Rolle als echte Akku-Alternative trennen den Wasserstoff noch viele Jahre.

Gestrandet an der Münchner Wasserstoff-Tanksäule: der „Blauwal“ Toyota Mirai im SN-Praxistest.
Gestrandet an der Münchner Wasserstoff-Tanksäule: der „Blauwal“ Toyota Mirai im SN-Praxistest.
 BMW präsentiert auf der IAA in München den X5 mit Brennstoffzelle.
BMW präsentiert auf der IAA in München den X5 mit Brennstoffzelle.

Eine der häufigsten Leserfragen, welche das Mobilitätsressort der "Salzburger Nachrichten" erreichen, ist jene, ob und, wenn ja, wann Wasserstoff endlich eine echte Alternative zum batterieelektrischen Antrieb wird. Bei aller Komplexität der teils weltweiten und branchenübergreifenden Liefer- und Produktionsketten ist die Antwort auf diese Frage entwaffnend banal. Für den jüngsten Praxistest des neuen Toyota Mirai lieferte der zuständige Importeur die Wasserstoff-Limousine per Sattelschlepper von Wien nach Salzburg. Und holte sie nach 14 Tagen Testdauer auf die gleiche Weise wieder ab. Der Grund für diese zugegeben extrem unnachhaltige Praxis: In ganz Österreich gibt es aktuell gerade einmal fünf Wasserstofftankstellen. Und keine einzige davon befindet sich im Großraum Salzburg.

Testfahrt nach Ingolstadt

Um den Aktionsradius von laut Hersteller maximal 650 Kilometern zu vergrößern, nahmen wir uns eine berufsbedingte Fahrt ins bayerische Ingolstadt vor. Wenngleich die tatsächliche Reichweite in der Praxis nur mit rund 450 Kilometern angegeben wurde, schien die anvisierte Fahrtstrecke von etwa 230 Kilometern ohne größere Komplikationen machbar. Vor allem, weil die OMV, welche sämtliche heimischen Wasserstoffzapfsäulen in Wien, Linz, Graz und Innsbruck betreibt, auf ihrer Website auch deren zwei im Großraum München anzeigte. Mit je einem Sicherheitszwischenstopp wahlweise im Gewerbegebiet Unterhaching oder am Münchner Flughafen schien die Wasserstoff-Langstrecke kein allzu großes Risiko.

Probleme beim Tanken bzw. Bezahlen

Trotz des Warnhinweises von Toyota Österreich, dass die dem Testfahrzeug beigelegte Tankkarte möglicherweise nicht im benachbarten Ausland funktionieren könnte, ging es guter Dinge in Richtung Chiemsee und über den Irschenberg gen München. Was sollte schon passieren, schließlich kann man an jeder halbwegs zivilisierten Tankstelle auch per Karte oder notfalls auch in bar bezahlen.

Leider hatten wir die Rechnung dennoch ohne den Wirt gemacht. Bei der zeitgerechten Ankunft in München-Unterhaching stellte sich heraus, dass die OMV - trotz des weitum sichtbaren Firmenbrandings - den operativen Betrieb der Wasserstoffzapfsäule an die H2 Mobility Deutschland GmbH mit Sitz in Berlin übertragen hatte. Als Resultat dessen funktionierte weder die OMV-kompatible Routex-Karte, noch war eine manuelle Bezahlung an der Kassa der Tankstelle möglich, auf deren Grundstück die Wasserstofftankstelle platziert war. Selbst wenn er wolle, so könne er diese aus technischen Gründen nicht freischalten, so die glaubwürdige Erklärung des einigermaßen verlegenen Tankwarts.

Tankvorgang mittels Fernschaltung

Zwar hätte die Restreichweite auch ohne Nachtanken für die klaglose Rückreise nach Salzburg gereicht, noch war die Hoffnung auf die zeitgerechte Weiterfahrt nach Ingolstadt allerdings nicht aufgegeben. Da die auf der betreffenden Zapfsäule angegebene Notfallnummer leider nicht funktionierte, wurde mit tatkräftiger Mithilfe der Toyota-Pressestelle tatsächlich eine Ansprechpartnerin bei H2 in Berlin ausfindig gemacht. Eine knappe Stunde später startete ein fachkundiger und überaus freundlicher Mitarbeiter mittels Fernschaltung den Tankvorgang. Für eine Weiterfahrt zum angestrebten Termin war es zwar mittlerweile zu spät, immerhin blieben so aber mehr Kilometer als ursprünglich erhofft für den verbleibenden Fahrzeugtest über.

Ungewohntes Design des Toyota Mirai

Das war umso erfreulicher, als es sich bei der neuen Auflage des Toyota Mirai ohne Zweifel um ein grundsolides und technisch äußerst faszinierendes Auto handelt. Neben dem für europäische Augen ungewohnten Design ist es vor allem das außerordentlich futuristische Arbeitsgeräusch der Brennstoffzelle, das die Fünfmeterlimousine zu einem echten Hingucker macht. Und gäbe es ein dichteres, praxistaugliches Tankstellennetz, spräche wohl noch weniger gegen einen Erfolg des 182 PS starken Hecktrieblers.

Mangel an Infrastruktur nicht nachvollziehbar

Tatsächlich erscheint der eklatante Mangel an der notwendigen Infrastruktur auf den ersten Blick kaum nachvollziehbar. Schließlich handelt es sich bei Wasserstoff um das mit Abstand am häufigsten vorkommende Element im Universum. Bis zur tatsächlichen Marktreife als Alternative zu Benzin oder Diesel hat der Wasserstoff allerdings noch einige Hürden zu überwinden. So haben alle heute verfügbaren Wasserstoff-Fahrzeuge einen entscheidenden Nachteil: Nur etwa ein Viertel der Ausgangsenergie fließt tatsächlich in den Antrieb, drei Viertel gehen durch Umwandlungsverluste während der Produktion des Wasserstoffs, dessen Transport und Speicherung sowie der finalen Rückverwandlung in elektrische Energie mittels Brennstoffzelle im Fahrzeug verloren. Damit ist Wasserstoff in Sachen Effizienz nicht nur batterieelektrischen Antrieben rettungslos unterlegen. Selbst moderne Verbrennungsmotoren weisen - nicht zuletzt dank der über viele Jahrzehnte optimierten Transportketten der fossilen Kraftstoffe - einen besseren Wirkungsgrad auf.

Grün hergestellter Wasserstoff ist klimaneutral

Für die Brennstoffzelle spricht hingegen die höhere Energiedichte. Pro Kilogramm entspricht diese über 30 Kilowattstunden, während moderne Lithium-Ionen-Batterien bisher maximal 0,5 bis 0,6 Kilowattstunden pro Kilogramm erreichen. Die dadurch möglichen höheren Reichweiten sowie die kürzeren Tankzeiten sprechen durchaus für den Einsatz von Wasserstoff-Lkw. Im Gegensatz zur Volkswagen-Lkw-Sparte Traton mit ihren Marken MAN oder Scania, wo man analog zur Pkw-Sparte stark zur Batterie tendiert, setzen Hersteller wie Hyundai und teilweise auch Mercedes-Benz auf das Thema Wasserstoff.

Auch Zulieferer investieren mittlerweile Milliarden in die Zukunftstechnologie. So stellte der traditionsreiche Motorenbauer Deutz mit Sitz in Köln vor Kurzem einen neuen Wasserstoffmotor vor. Dabei wird Wasserstoff nicht wie in einer Brennstoffzelle zu Strom umgewandelt, sondern direkt wie bei einem Otto- oder Dieselmotor verbrannt. Sofern es sich um grünen, also um mit nachhaltiger Energie hergestellten Wasserstoff handelt, sei dieser Prozess ebenso klimaneutral, sagt Deutz-Vorstandschef Frank Hiller. Geeignet sei der Wasserstoff-Verbrennungsmotor vor allem für den Betrieb im Schwerlastbereich, wo große Massen bewegt werden müssen, aber das Drehmoment nicht hoch sein muss. Dies ist beispielsweise im Schienenverkehr der Fall.

Prognose: Überfluss in 20 bis 30 Jahren

Namhafte Automobilmanager wie Daimler-Trucks-Technologievorstand Andreas Gorbach gehen davon aus, dass mit grüner Energie produzierter Wasserstoff in 20 bis 30 Jahren im Überfluss vorhanden sein wird. Tatsächlich investieren Big Player im globalen Öl-Business wie Saudi Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate bereits Hunderte Milliarden Euro in die weltweit größten Wasserstoff-Fabriken. Mittels Pipelines wollen die heutigen Ölstaaten in absehbarer Zeit zu den größten Wasserstoff-Exporteuren der Welt werden.