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Akku-Mekka im hohen Norden

Nördlich von Stockholm entsteht derzeit Europas größte Akku-Fabrik. Günstiger Ökostrom soll die Batterien aus Schweden international wettbewerbsfähig machen.

In Skellefteå nördlich von Stockholm baut Northvolt die größte Produktion von Lithium-Ionen-Akkus in Europa.
In Skellefteå nördlich von Stockholm baut Northvolt die größte Produktion von Lithium-Ionen-Akkus in Europa.

Auf der Landkarte der globalen Akku-Produktion ist Europa bis dato noch ein weißer Fleck. Nicht zuletzt aufgrund des übermäßig langen Festhaltens am Dieselmotor laufen die europäischen Autohersteller dem bei der Forschung und der industriellen Produktion von Batteriezellen führenden US-Elektropionier Tesla um zwei bis drei Jahre hinterher. Um genug Lithium-Ionen-Akkus für die Millionen geplanten Elektroautos zur Verfügung zu haben, überweisen Marken wie Volkswagen, BMW, Renault oder der PSA-Konzern aktuell noch enorme Summen an die führenden Batteriezellenhersteller in China und Südkorea. Doch ausgerechnet ein ehemaliger Tesla-Mitarbeiter hat es sich zur Aufgabe gemacht, genau das zu ändern.

Mission: Europas Abhängigkeit beenden

Bis 2015 arbeitete Peter Carlsson als Einkaufsmanager bei Tesla. Danach gründete der Schwede in seiner Heimat das Unternehmen Northvolt, an dem mittlerweile mehrere namhafte Unternehmen beteiligt sind, darunter BMW und Volkswagen. Seine Mission: Europas Abhängigkeit von Akkus aus asiatischer Produktion zu beenden und so die europäische Industrie langfristig wieder auf die Gewinnerstraße zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen, baut Northvolt aktuell an der größter Batteriefabrik Europas. Diese soll bereits 2021 in Betrieb gehen und bereits in wenigen Jahren bis zu 100.000 Batteriezellen und damit eine Gesamt-Akkuleistung von 32 Gigawattstunden pro Jahr produzieren. Zum Vergleich: Für die Umsetzung seiner gigantischen Elektroauto-Offensive mit fast 70 neuen E-Modellen in den nächsten zehn Jahren braucht allein Volkswagen ab 2025 allein in Europa jährlich mehr als 150 Gigawattstunden Akkuleistung. Und für die Märkte in Asien noch mal dieselbe Menge.

Bereits 2019 gründeten Volkswagen und Northvolt deshalb zu gleichen Anteilen ein Joint Venture, um in der Stadt Salzgitter unweit von Wolfsburg eine eigene Produktion von Lithium-Ionen-Batterien zu errichten. Von der veranschlagten Investitionssumme in Höhe von 1,3 Milliarden Euro stammen 900 Millionen von VW.

Anfang 2024 soll die Batteriezellenfabrik in Salzgitter ihre Produktion aufnehmen und einen Output von bis zu 16 Gigawattstunden jährlich erreichen, langfristig ist sogar der Ausbau der Kapazität auf 24 Gigawattstunden möglich. Laut Northvolt-CEO Carlsson gehen die Planungen und Bauarbeiten in Salzgitter "gut voran". Allerdings sei der Genehmigungsprozess in Deutschland komplett anders als in Schweden. "Die Unterschiede überraschen uns, da haben wir unsere Hausaufgaben ungenügend gemacht", so Peter Carlsson. Auch Tesla-Chef Elon Musk hatte sich vor einigen Wochen bei einem Besuch in Deutschland über die komplexen Genehmigungsverfahren beschwert. Der Elektroauto-Pionier baut seinerseits an einer Fabrik in der Nähe von Schweden, in der nicht nur das Model 3 für den europäischen Markt gefertigt, sondern auch eigene Akkus produziert werden sollen. Bei einer Konferenz Mitte November bestätigte Musk seine Pläne, in Grünheide bei Berlin eine Batteriezellenproduktion mit einer Produktionsleistung von rund 100 Gigawattstunden aufzubauen.

"Auch das wird helfen, in Deutschland ein Zentrum an Kompetenz und Lieferanten für Batterien und Elektromobilität entstehen zu lassen", beurteilt Peter Carlsson.

Northvolt nutzt 100 Prozent klimaneutralen Strom aus Wasserkraft

Bild: SN/northvolt
Mit zwei Cent pro Kilowattstunde ist Elektrizität in Schweden nur rund halb so teuer wie in Mitteleuropa. Dadurch haben wir auch gegen Niedriglohnländer eine Chance.
Peter Carlsson CEO Northvolt

Während selbst ein Wunderwuzzi wie Elon Musk mit den langsam mahlenden Mühlen der deutschen Bürokratie zu kämpfen hat und bereits einige Baustopps zu verkraften hatte, freut man sich bei Northvolt über die Vorteile, die der Standort Schweden mit sich bringt. In dem skandinavischen Land herrscht ein Überschuss an Wasserkraft. Dadurch kann Northvolt zu 100 Prozent den klimaneutralen und vor allem preiswerteren Strom nutzen. Mit zwei Cent pro Kilowattstunde ist die Elektrizität in der Region nördlich der Hauptstadt Stockholm nur rund halb so teuer wie in Deutschland. "Dadurch haben wir auch gegen Niedriglohnländer wie China, Polen oder Ungarn, in denen die Löhne deutlich niedriger sind, eine Chance", erklärt Peter Carlsson. Aktuell beschäftigt Northvolt nach eigenen Angaben über 500 Mitarbeiter aus 71 Nationen. Die geringen Energiekosten in Südschweden allein machen die Batteriezellen jedoch noch nicht billiger als jene der Konkurrenz. Immerhin peilt Peter Carlsson gemeinsam mit den Partnern von Northvolt mittelfristig einen Preis von weniger als 100 Dollar pro Kilowattstunde an. Ab dieser Preisschwelle könnten laut Experten Elektroautos günstiger werden als Modelle mit konventionellem Verbrennungsmotor.

Eine Studie von Bloomberg New Energy aus dem Jahr 2017, in der die Preisentwicklung von Batteriezellen untersucht wurde, rechnet damit, dass dieser Preis frühestens 2030 möglich sein wird. Zum einen kommen bei der massenhaften Fertigung von Batteriezellen Skaleneffekte zum Tragen, so fallen beispielsweise die Kosten pro Einheit für teure Rohstoffe wie Lithium, Nickel, Kobalt oder Grafit. Darüber hinaus will man bei Northvolt die Batterien "in kleinen Schritten", aber stetig verbessern. Peter Carlsson: "Die Kombination von kleinen Dingen zählt, eine holistische Sicht des Gesamtprozesses von der Chemie über das Zellendesign bis zur Integration der Batterie ins Fahrzeug." Seinen Ansatz sieht der Northvolt-Chef auch bei Konkurrent Tesla bestätigt. Bei dem vor einigen Wochen gehypten "Battery Day" hatte Tesla ein neues Zelldesign gezeigt und andere Verbesserungen wie die Verwendung neuer Materialien angekündigt. Die Reaktion der Medien und Märkte war eher negativ. "Alle haben eine neue Zauberbatterie erwartet", so Carlsson. "Doch für uns und die Branche war das schon super beeindruckend."