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Beatmungsgeräte statt Motoren - Autohersteller rüsten um

Während die Fahrzeugproduktion ruht, bieten Konzerne Kapazitäten für medizinische Geräte an. Beatmungsgeräte statt Motoren und Karossen, Drive-in-Coronatest auf Werksgelände.

Laut Elon Musk werden in Teslas Gigafactory bald Beatmungsgeräte hergestellt.
Laut Elon Musk werden in Teslas Gigafactory bald Beatmungsgeräte hergestellt.

Anfang März, als das Coronavirus für die meisten von uns noch nicht mehr war als eine unbedeutende Schlagzeile aus dem fernen China, war die Autobranche eine der ersten Industriezweige, die von der herannahenden Pandemie beeinträchtigt wurde. Infolge gesetzlicher Verbote größerer Indoor-Veranstaltungen wurden binnen weniger Tage zunächst der international bedeutende Autosalon in Genf und dann auch die für die lokalen Händler wichtige Automesse in Salzburg abgesagt. Schon Wochen davor ahnten Brancheninsider längst Böses, berichteten von leer gefegten chinesischen Metropolen und massiven Ausfällen bei eigenen Produktionsstätten und externen Zulieferern in Fernost. Aus heutiger Sicht erscheint es wie aus einer anderen Zeit, dass die wegbrechenden Verkaufszahlen auf dem chinesischen Automarkt als die größte Bedrohung wahrgenommen wurden. Umso befremdlicher wirkt im Rückblick so mancher Medientermin, bei dem noch allzu routiniert Normalität vorgelebt wurde, während im Hintergrund bereits die Krisenvorbereitungen auf Hochtouren liefen.

Keine drei Wochen später steht die milliardenschwere Autoindustrie rund um den Globus de facto still. So gut wie alle bedeutenden Produktionsstandorte in Europa, den USA und Asien sind verwaist, die Arbeiter großteils in Kurzarbeit geschickt. Zuletzt nutzte auch der größte Händlerbetrieb des Landes, die Porsche Holding Salzburg, die Möglichkeit zur "Corona-Kurzarbeit" und schickte bis auf Weiteres 6400 Mitarbeiter aus allen Geschäftsbereichen nach Hause.

Doch die Autoindustrie gilt nicht umsonst als besonders resilient, also erfahren im Umgang mit Krisen. Wenig überraschend war es wieder einmal der als gleichermaßen verhaltensauffällig wie genial geltende Elon Musk, der als einer der Ersten in die Offensive ging: Erst nach tagelangem Widerstand gab er der Aufforderung der kalifornischen Behörden nach, die Tesla-Fabrik in Fremont zu schließen. Um dann postwendend auf Twitter anzukündigen, mit seinen Unternehmen SpaceX und Tesla medizinische Beatmungsgeräte herstellen zu wollen. "Ja, wir arbeiten an Beatmungsgeräten, auch wenn ich nicht glaube, dass sie benötigt werden", wird Musk auf dem Kurznachrichtendienst zitiert. Bei anderen US-Autoherstellern gibt es offenbar ebenfalls Überlegungen, in der Coronakrise Beatmungsgeräte herzustellen. US-Präsident Donald Trump hat mittels Twitter bereits verkündet, dass auch Ford und General Motors bereits Vorbereitungen zur Herstellung von Beatmungsgeräten treffen. GM soll dafür mit dem HealthTech-Unternehmen Ventec Life Systems kooperieren.

Auch in Europa gibt es mittlerweile Bestrebungen seitens der Autohersteller, ihren Teil zur Bewältigung der Pandemie zu leisten. Bei Volkswagen könnten vor allem die 125 industriellen 3D-Drucker für die Produktion dringend benötigter medizinischer Geräte genutzt werden. Man sei im Austausch mit Regierungen, Verbänden, Vereinen und Behörden, um den konkreten Bedarf zu ermitteln", heißt es seitens VW. Audi-Chef Bram Schot erklärt, dass man gemeinsam mit dem VW-Konzern aktuell Möglichkeiten prüfe, wo man sich einbringen könne. Auch beim Zulieferer Bosch mit seinen 400.000 Mitarbeitern werden aktuell vorhandene Ressourcen geprüft. In Italien haben Ferrari und Fiat Chrysler ähnliche Pläne, in Frankreich prüft der PSA-Konzern ebenfalls die Produktion von Beatmungsgeräten. Doch die demonstrative Hilfsbereitschaft trifft nicht ausschließlich auf Begeisterung. Vor allem etablierte Produzenten von Medizintechnik bezweifeln die Fähigkeiten der Autohersteller, Teile der Produktion so kurzfristig umzustellen. "Die Komplexität ist hoch, zudem handelt es sich bei den meisten Materialien um speziell entwickeltes Design und nicht um Standardteile", teilt das auf Atemschutzmasken und Beatmungsgeräte spezialisierte Medizintechnik-Unternehmen Dräger aus Lübeck in einer Aussendung mit.

Über jeden Zweifel erhaben ist hingegen die Ankündigung von Volkswagen, fast 200.000 Atemschutzmasken der höchsten Kategorien der öffentlichen Gesundheitsvorsorge liefern zu wollen. Auch Daimler spendet rund 110.000 Masken aus dem konzerninternen Pandemiebestand für Kliniken und Arztpraxen. Andere Wege geht man bei Ford: Auf dem Werksgelände im deutschen Saarlouis startete am vergangenen Dienstag die erste Drive-in-Station für Coronatests.