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Der Kampf um die Schrottautos

Die Mehrheit der alten Autos verschwindet spurlos aus Österreich. Dabei gehen Unmengen an wertvollen Rohstoffen verloren, auch die Natur leidet massiv.

Rund 220.000 Altfahrzeuge entgehen der gesetzlich vorgeschriebenen Entsorgung.
Rund 220.000 Altfahrzeuge entgehen der gesetzlich vorgeschriebenen Entsorgung.

Die riesige Baggerschaufel gräbt sich kreischend in das Dach der Autokarosserie und hebt es auf ein Förderband. Dort beginnt die ultimativ letzte Reise von dem, was einmal ein prachtvoller Neuwagen war. Bis zu 80 Altautos enden durchschnittlich jeden Tag im 1250 PS starken Schredder der Gebrüder Gratz. Die Anlage in der Gemeinde Lambach ist eine von insgesamt sechs großen Schredderbetrieben in Österreich und deckt neben ganz Oberösterreich auch die angrenzenden Bereiche von Salzburg und der Steiermark ab. Pro Jahr werden hier im Durchschnitt 16.000 alte Autos geschreddert und ihre Rohstoffe der Weiterverwertung zugeführt. Die gesetzliche Bemessungsgrundlage für ein Schrottfahrzeug liegt bei 1000 Kilogramm inklusive Fahrer und Tank. Rechnet man weiterverwertbare Teile wie Reifen, Starter, Lichtmaschine und Motor sowie die bei der Trockenlegung entfernten Öle, Treibstoffe und Kühl- bzw. Frostschutzflüssigkeiten weg, bleiben rund 770 Kilogramm übrig, die mit dem Schredder verkleinert und in der Folge sortiert werden. Am Ende bleiben pro Fahrzeug rund 550 Kilogramm Stahlschrott sowie weitere 40 Kilogramm Buntmetalle in verhüttbarer, also verwertbarer Qualität wie Aluminium oder Kupfer.

Jedes Jahr verschwinden rund 280.000 Autos von Österreichs Straßen. Laut Informationen der Arge Shredder werden allerdings nur 60.000 davon tatsächlich verwertet. Acht von zehn Autos, also etwa
220.000 Fahrzeuge, verlassen das Land über illegale Zwischenhändler. Die wichtigsten Märkte sind aktuell Russland und Afrika.

Laut Walter Kletzmayr, dem Geschäftsführer der Arge Shredder, ist das für die Verkehrssicherheit, die Umwelt und die heimische Wirtschaft gleichermaßen ein Problem: "Die gängige Praxis ist die, dass beispielsweise in Ungarn zwei oder mehr fahruntüchtige Autos zusammengeschweißt werden." Was auf den ersten Blick nachhaltig erscheint, ist vorrangig ein Sicherheitsproblem. "Man kann aus zwei kranken Patienten keinen gesunden machen", bringt es Kletzmayr auf den Punkt. Und schließlich sei ein Teil der derweil "wiederauferstandenen" Risikopatienten in der Folge auch wieder in Österreich unterwegs. Das weitaus größere Problem seien jedoch die damit exportierten, wertvollen Rohstoffe, die der heimischen Wirtschaft verloren gingen. Und denkt man an die kommende Generation der Elektroautos, so wird sich die Situation auch in Hinblick auf die Umweltrisiken noch massiv verschlechtern. Die Gründe für die Misere sind laut dem Vertreter der Arge Shredder vielschichtig: "Obwohl Österreich im Vergleich zur restlichen EU noch ein Musterschüler ist, stellt die überbordende Bürokratie das Hauptproblem dar. Da werden die Entsorgungsbetriebe doppelt und dreifach mit der Aufnahme der persönlichen Daten der Fahrzeugbesitzer belastet, deren Auswertung im Ministerium gar nicht funktioniert." Allen voran die gewichtsbezogene Verwertungsquote sei aus Sicht der Branchenvertreter absolut praxisfern und sinnlos. "Die Gesetzgeber sind damit beschäftigt, ein engeres Netz zu weben - und übersehen dabei, dass dabei immer mehr Schlupflöcher entstehen. Und je überregulierter ein Bereich wird, desto mehr Experten wären notwendig, um diese zu kontrollieren", beklagt Walter Kletzmayr. Schon jetzt seien die Kontrollen an den Grenzen nur stichprobenhaft möglich. Laut Gesetz muss jeder Autobesitzer bei der Abmeldung eines Fahrzeugs einen Verwertungsnachweis erbringen. Doch das ist praktisch totes Recht. Eine einfache Lösung wäre laut Kletzmayr stattdessen, die letzte Seite des Typenscheins standardmäßig als Verwertungsbestätigung zu nutzen. "Wenn ein Autobesitzer weiterhin Versicherung zahlen muss, solange ein Auto nicht ordnungsgemäß entsorgt wurde, würde das die Entsorgungsquote sprunghaft ansteigen lassen."

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