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E-Fuels: Benzin und Diesel aus erneuerbarem Strom

Synthetische Kraftstoffe könnten den klassischen Verbrennungsmotor retten. Indirekte Elektrifizierung bestehender Fahrzeugflotten möglich.

Hersteller wie Audi forschen intensiv im Bereich der alternativen Treibstoffe.
Hersteller wie Audi forschen intensiv im Bereich der alternativen Treibstoffe.

Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: CO2-neutraler Benzin oder Diesel, der in jeden herkömmlichen Tank gefüllt werden kann, produziert mit Ökostrom. Und doch setzen nicht nur die großen Automobilhersteller, sondern auch die Chemieindustrie wieder verstärkt auf die Erforschung von E-Fuels. Dabei handelt es sich um synthetische Kraftstoffe, die nicht auf Erdöl als Rohstoffquelle basieren. Im Gegensatz zu den viel diskutierten Bio-Fuels, die früher aus nachwachsenden Rohstoffen wie Getreide, Mais oder Zuckerrüben gewonnen wurden, bieten E-Fuels einen entscheidenden Vorteil: Sie können direkt aus erneuerbarem Strom hergestellt werden. Basis für alle strombasierten Kraftstoffe ist die Elektrolyse. Der dabei hergestellte Wasserstoff reagiert mit dem aus der Luft gewaschenen Kohlendioxid zu Methan, woraus in weiterer Folge nahezu jeder beliebige Kraftstoff hergestellt werden kann - egal ob Diesel, Benzin oder Kerosin.

Wie bereits in den SN berichtet, wird die Umstellung auf die Elektromobilität selbst in den optimistischsten Hochrechnungen noch mindestens drei Jahrzehnte dauern. Aufgrund der Tatsache, dass voraussichtlich noch im Jahr 2030 der überwiegende Anteil des Individualverkehrs mit Verbrennungsmotoren angetrieben wird, stellt sich die Frage: Wie können die aktuell verwendeten Verbrennungsmotoren schnellstmöglich und kostenschonend umweltfreundlicher gemacht werden?

Laut Jörg Rückauf, Leiter der Produktionsentwicklung Filtration und Motorperipherie beim Stuttgarter Automobilzulieferer Mahle, sind 99 Prozent der aktuellen Fahrzeuge für den Einsatz von E-Fuels geeignet. "Durch den Einsatz synthetischer Kraftstoffe wäre eine indirekte Elektrifizierung der vorhandenen Verbrennungsmotoren möglich." Getankt würde an Zapfsäulen des bestehenden Tankstellennetzes, eine neue, teure Infrastruktur wie beispielsweise beim Wasserstofffahrzeug mit Brennstoffzelle wäre nicht nötig. Freilich: Noch ist die Herstellung teuer, aufwendig und der Wirkungsverlust hoch. Strom als Energiequelle für die Mobilität ist immer dann am effektivsten, wenn er direkt aus der Steckdose verwendet wird, wie eben beim reinen Elektroauto. Für den ökonomisch und ökologisch sinnvollen Einsatz von E-Fuels müssten zunächst vonseiten der Politik Rahmenbedingungen definiert und die entsprechenden Normen entwickelt werden.

Aus technischer Sicht wäre die systematische Umstellung von fossilen auf synthetische Treibstoffe durchaus sinnvoll: Nach Berechnungen des Zulieferers Mahle erreicht der Einsatz der alternativen Treibstoffe bei der CO2-Reduzie-
rung eine um das 20-Fache größere Wirkung als bei technischen Maßnahmen, die ausschließlich bei Neufahrzeugen eingesetzt werden. Bei einem Anteil von 20 Prozent im Kraftstoff verringert sich die Kohlendioxidbelastung bereits um 17 Prozent, bei 100 Prozent liegt die Einsparung bei satten 83 Prozent. Auch die Partikelmenge und der NOx-Ausstoß werden deutlich geringer. Nichtsdestotrotz stellen E-Fuels keineswegs die ultimative Allheillösung, aber immerhin
einen wertvollen Bestandteil im zukünftigen Antriebsmix dar.
Besonders da, wo eine Elektrifizierung des Antriebs schwer umsetzbar ist, wären synthetische Treibstoffe eine echte Alternative: in der Luft und auf dem Wasser etwa.
Für Technikbegeisterte und Naturschützer wäre der Durchbruch von E-Fuels deshalb eine gute Nachricht.