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Einfach besser laden

Die Ertüchtigung des öffentlichen Raums bietet großes Potenzial. Randsteine und Laternen könnten in Zukunft zu Ladepunkten aufgewertet werden.

Es muss nicht immer eine Laterne sein – auch einfache Poller können zu Ladesäulen im öffentlichen Raum umfunktioniert werden.
Es muss nicht immer eine Laterne sein – auch einfache Poller können zu Ladesäulen im öffentlichen Raum umfunktioniert werden.
Der Ladebordstein von Rheinmetall.
Der Ladebordstein von Rheinmetall.

Aus Sicht der Elektromobilität wurde diesen Herbst eine Schallmauer durchbrochen. Laut Statistik Austria waren im September erstmals mehr als 100.000 rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge in Österreich angemeldet. Diese grundsätzlich positive Meldung ruft allerdings auch die Kritiker der E-Mobilität auf den Plan.

Akuter Mangel an öffentlichen Ladestationen

Schließlich herrscht in vielen Ballungsräumen schon jetzt ein akuter Mangel an öffentlich zugänglichen Ladestationen. Während der Umstieg auf batterieelektrische Fahrzeuge im Alltag meist problemlos funktioniert, solange man nur eine eigene Garage oder einen Carport inklusive Wallbox besitzt, stellt die routinemäßige Ladelogistik all jene vor Probleme, die ihr Auto am Straßenrand oder in Kurzparkzonen abstellen müssen. Diese "Laternenparker" sind demzufolge gezwungen, die Akkus an öffentlichen Ladesäulen aufzuladen - mit vielen Nachteilen. Denn bekanntlich übersteigen die dortigen Kosten jene bei der am eigenen Hausstrom hängenden Wallbox um ein Vielfaches. Dazu kommt die organisatorische Herausforderung, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort einen freien Ladepunkt des passenden Anbieters mit ausreichender Kapazität zu finden. Das Ausweichen auf größere Schnellladeparks am Stadtrand ist für viele Konsumenten aus Zeit- und Kostengründen keine attraktive Option.

Im besten Falle stellt sich dabei die Frage, wie man die Ladezeit am sinnvollsten nutzen soll. Bei Ladepunkten an Einkaufszentren oder Supermärkten gibt es ausreichend Möglichkeiten zum Zeitvertreib. Besonderes Unheil in Form erboster Mitmenschen erwartet allerdings jene, die derart beliebte Lademöglichkeiten über die unmittelbare Ladetätigkeit hinaus blockieren. Kurz gesagt, der Alltag elektrisch mobiler Mitmenschen ist voller Hürden, zumindest verglichen mit dem fossil angetriebener Zeitgenossen, die ihre Autos einfach an der nächsten Tankstelle auftanken. Durch die Summe dieser Hindernisse besteht die Gefahr, dass das Hochlaufen der Elektromobilität in Ballungsräumen ins Stocken gerät, bevor dieses richtig angefangen hat.

Es besteht Hoffnung auf einen einfacheren Elektroalltag

Ein innovativer Lösungsvorschlag kommt vom deutschen Technologiekonzern Rheinmetall. Im Rahmen der Fachkonferenz "VDE E-Mobility Conference" stellte man kürzlich die sogenannten Ladebordsteine vor. Durch den Einbau der notwendigen Ladeelektronik werden normale Randsteine faktisch zur Ladesäule - ohne jedoch die für andere Verkehrsteilnehmer mit einer Ladesäule verbundenen Einschränkungen zu verursachen. Denn gerade im innerstädtischen Raum sind freie Flächen knapp, sodass die Errichtung neuer Ladeinfrastruktur meist nur auf Kosten anderer Interessengruppen im Straßenraum möglich ist.

Tatsächlich wurde das System unter der Prämisse entwickelt, den Eingriff in den öffentlichen Raum möglichst auf ein Minimum zu reduzieren. Die Nachteile bestehender Lademöglichkeiten - hoher Platzbedarf, geringe Punktedichte, hohe Kosten und negative Auswirkungen auf das Stadtbild - könnten so vermieden werden. Darüber hinaus könnten E-Fahrzeuge damit geladen werden, ohne lange Ladekabel über oder entlang von Gehwegen legen zu müssen. Ein weiterer Vorteil besteht in der einfachen Nachrüstbarkeit und Wartung des Systems. So ist es möglich, komplette Straßenzüge oder Parkplätze für die Integration von Ladebordsteinen vorzubereiten. Dadurch lassen sich in Bezug auf die Planung, die Bauarbeiten und nicht zuletzt die Bewilligung Synergien erreichen, die wiederum die Gesamtkosten reduzieren. Konkret können zunächst "Dummybordsteine" - also funktionslose Platzhalter - an den jeweiligen Standorten eingebaut werden. Das Elektronikmodul kann in der Folge nachgerüstet werden, sobald der Bedarf an Ladepunkten an dem Standort ansteigt.

Die Strategie, die vorhandenen Stromleitungen entlang der Straßen zu nutzen, verfolgt auch das Start-up Ubitricity. Das bereits 2008 in Berlin gegründete Unternehmen ist seit 2021 eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Mineralölkonzerns Shell und hat sich auf die Integration smarter Ladeeinrichtungen in Straßenlaternen spezialisiert. Wenngleich in Berlin der Anteil der "Laternenparker" mit rund 80 Prozent besonders hoch ist, konnte Ubitricity seine ersten Erfolge ausgerechnet in England feiern. So wurden die ladefähigen Straßenlaternen bereits in den Londoner Bezirken Hounslow und Richmond erfolgreich getestet. Auch in Oxford wurden in den vergangenen Jahren bereits Hunderte Ladelaternen eingerichtet. Mit aktuell bereits über 5000 Ladepunkten betreiben die Berliner damit das größte öffentliche EV-Ladenetz in Großbritannien.

Für den deutschen Markt musste die Ladelösung erst den geltenden Gesetzen angepasst werden. Der angebotene Ladepunkt namens "Heinz" entspricht nun dem deutschen Eichrecht. Nachdem Ubitricity kürzlich die Ausschreibung für die Errichtung einer Ladeinfrastruktur an Berliner Straßenlaternen gewonnen hat, werden bis Jahresende die ersten 200 Ladepunkte errichtet. Einmal in Betrieb genommen, können an den umgerüsteten Laternen mithilfe eines Typ-2-Ladekabels E-Autos oder Plug-in-Hybride mit einer Rate von bis zu 3,7 kW aufgeladen werden. Da Straßenlaternen heute flächendeckend mit wesentlich sparsameren LED-Leuchtmitteln ausgestattet sind, kann der damit eingesparte Strom in der Folge zum Laden der E-Autos genutzt werden. Diese relativ geringe Leistung relativiert sich dadurch, dass die meisten Autos 23 Stunden am Tag stehen und PHEVs in der Regel gar nicht schneller laden können. Voraussetzung ist ein smartes Ladekabel mit integriertem Stromzähler. Gezahlt wird am Ende des Monats per Bankeinzug.