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Generationswechsel auf dem Wasser

Nach mehr als 70 Jahren Bootsbau-Tradition führt Andreas Schöchl die Firma Sunbeam in Mattsee in neue Gewässer - und überrascht mit der Sunbeam 32.1 durch innovative Ideen.

Die Sunbeam überrascht mit ungewöhnlichen Formen und Farben und bietet den Raum einer weitaus größeren Yacht.
Die Sunbeam überrascht mit ungewöhnlichen Formen und Farben und bietet den Raum einer weitaus größeren Yacht.
Die Sunbeam überrascht mit ungewöhnlichen Formen und Farben und bietet den Raum einer weitaus größeren Yacht.
Die Sunbeam überrascht mit ungewöhnlichen Formen und Farben und bietet den Raum einer weitaus größeren Yacht.

Dass man inmitten der Salzburger Berge die besten Segelyachten Europas bauen kann, beweist die Familie Schöchl schon seit vielen Jahrzehnten. Bereits im Jahr 1950 wurde der ehemalige Tischlereibetrieb auf den Bootsbau umgestellt, in den vergangenen 30 Jahren führten die Cousins Manfred und Gerhard Schöchl das Unternehmen in die europäische Yachtbau-Elite. Ziemlich genau seit dem Ausbruch der Coronapandemie weht nun allerdings ein völlig neuer Wind durch das Werftgebäude in Sichtweite des Mattsees: Seit 2020 ist Andreas Schöchl CEO der neu gegründeten Sunbeam Watersports GmbH. Dass der Sohn von Manfred Schöchl die Sunbeam-Erfolgsstory fortschreiben möchte, aber dennoch vieles anders machen wird als die Vorgängergeneration, äußert sich nicht nur durch den neuen Firmennamen. Ganz im Gegenteil: Seit der gelernte Produktions- und Logistikexperte mit langjähriger Berufserfahrung bei BMW Austria und dem W&H Dentalwerk in Bürmoos das Ruder in der Hand hält, bleibt kein Stein auf dem anderen.

Segelyacht, völlig neu gedacht

Die Vision, wie die erste von ihm erdachte Segelyacht aussehen könnte, trug Andreas Schöchl schon seit einiger Zeit in sich. In gewisser Weise beschleunigte der Ausbruch der Coronapandemie Anfang vergangenen Jahres tatsächlich den Entstehungsprozess der im August diesen Jahres präsentierten Sunbeam 32.1. "Im Bootsbau hat es lange Zeit gereicht, alle paar Jahre ein neues Boot zu bauen, die dazugehörigen Folder zu drucken und dann auf die nächste Messe zu fahren. Die sukzessive Weiterentwicklung der Produkte war der Normalzustand. Da mangels Messebetrieb und wegen des damit fehlenden Kundenkontakts eine völlig neue Strategie notwendig war, haben wir gleich die ganze Firma komplett auf links gedreht", schildert Andreas Schöchl jenen Prozess, auf den die Bezeichnung "Kulturschock" wohl am besten zutrifft. Anstatt auf bewährten Konstruktionen aufzubauen, legte die dritte Schöchl-Generation kurzum die Produktion aller größeren Segelyachten auf Eis und fokussierte sämtliche Unternehmensressourcen auf die Entwicklung einer neuen Zehn-Meter-Yacht, die zu 100 Prozent auf die geänderten Wünsche und Bedürfnisse einer neuen Zielgruppe zugeschnitten sein sollte. Konzipiert für größere Binnenseen und das küstennahe Segeln am Meer, besetzt die als "Weekender" bezeichnete Sunbeam 32.1 die wachsende Nische zwischen kleinen, puristischen Day-Sailern und größeren, luxuriösen Fahrtenyachten. "Die neue 32er sollte natürlich vorrangig ein hervorragendes Segelboot sein. Eines unserer Ziele war jedoch, dass unsere Kunden das Boot auch verwenden können, wenn gerade kein Wind bläst", erklärt Andreas Schöchl den neuen Zugang. "Einerseits ist das Boot ein tolles Sportgerät, mit dem man problemlos mit Freunden oder auch allein an einer Regatta teilnehmen kann. Andererseits ist es dank der einfachen Bedienbarkeit auch hervorragend für einen Tag mit der Familie am Wasser geeignet. Man braucht also keine große Crew, um mit der 32.1 Spaß zu haben. Was vor allem auch bedeutet, dass man jederzeit segeln kann, wenn man selbst Zeit und Lust hat - und nicht die anderen."

Design-Revolution dank Gerald Kiska

Als die bereits vielfach bewährte Partnerschaft der Bootsbauer vom Mattsee mit den Naval Architects von J&J um den international erfolgreichen Industriedesigner Gerald Kiska erweitert wurde, nahm die Revolution auf dem Wasser konkrete Formen an. "Gerald hat bekanntlich große Erfahrung im Design von Fahrzeugen, kennt sich aber auch mit Motoryachten aus. Demzufolge hat er gleich in den ersten Meetings äußerst provokante Fragen gestellt, etwa: Was kann ein Segelboot von einem Motorboot lernen?", erinnert sich Andreas Schöchl an durchaus lebhafte Diskussionen. Was bei den allermeisten eingefleischten Seglern zu strikter Ablehnung geführt hätte, fiel bei dem jungen Produktentwickler aber auf fruchtbaren Boden.

Das Resultat ist eine Segelyacht mit einem geradezu revolutionären Designansatz. Neben der futuristischen Optik standen Komfort und Platzoptimierung im Lastenheft ganz oben. Dank der ungewöhnlichen Bugkonstruktion - des sogenannten Flight-Decks - ist das vordere Deck der Sunbeam 32.1 breiter als der darunterliegende Rumpf. In Kombination mit dem aufgeräumten, puristisch gestalteten Cockpit und der großen, automatisch ausfahrbaren Badeplattform am Heck ergeben sich dadurch große, ebene Flächen, die man so nur von bedeutend größeren und vielfach teureren Segelyachten kennt. Andreas Schöchl: "Wir haben uns daran orientiert, wie Leute heutzutage wohnen. An die Stelle der kleinen Kammern von früher sind offene, helle und funktionale Lebensräume getreten."

Fortgesetzt wurde die moderne Raumphilosophie auch unter Deck: Anstatt einer dunklen Höhle erinnert die Sunbeam 32.1 auch im Innenraum an ein modernes Wohnzimmer mit großen Fensterflächen und modernen Materialien. Um mehr nutzbaren Raum zu schaffen, wurde sogar der Motor neu positioniert. Anstatt wie in dieser Bootsklasse üblich direkt unter dem Niedergang wurde der optional als reiner Elektromotor verfügbare Antrieb nach hinten versetzt. "Blöd gesagt haben wir damit den Motor aus dem Wohnzimmer verbannt", schildert Andreas Schöchl nicht ohne Stolz. Doch auch abseits des neuen Designs bedient sich die neueste Sunbeam-Yacht innovativer Ansätze. Das gesamte Deck ist frei von segelrelevanten Elementen. Sämtliche Schoten werden versteckt geführt. Und bestellt der Eigner den optionalen Autopiloten dazu, fährt das Boot praktisch von ganz allein. "Man hat vom Steuer aus alles im Blick, kann alles allein bedienen, die Mitsegler müssen nicht um Hilfe gebeten werden. Und wer möchte, schaltet den Autopiloten ein und gesellt sich mit einem Gläschen zu den Gästen", so Schöchl.

Mut zum Risiko wurde belohnt

Angesichts der geballten Ladung an Innovationen stößt die Neuinterpretation einer Segelyacht nicht nur auf Zustimmung. "Es war von Anfang an durchaus beabsichtigt, dass das Boot polarisiert", gibt Andreas Schöchl zu. "Im konkreten Fall gibt es zwei extreme Lager: Die einen lieben es, die anderen schlagen die Hände über dem Kopf zusammen." Vor allem die internationale Fachpresse hat sich laut dem Sunbeam-Firmenchef wie erwartet geradezu auf das Boot gestürzt. "Die Diskussionen auf den einschlägigen Onlineplattformen dauern immer noch an. Für uns ist das perfekt. Denn nichts wäre schlimmer, als wenn das Boot zu gewöhnlich und damit nach wenigen Monaten bereits wieder vergessen wäre."

Doch die 32.1 wäre keine echte Sunbeam-Yacht, würde sie nicht hervorragende Segeleigenschaften aufweisen. Die Sunbeam-DNA sei auf jeden Fall spürbar. Erst vor wenigen Wochen sei man anlässlich der Nominierung zur Wahl der "Europäischen Yacht des Jahres 2021" einige Tage lang mit internationalen Segeljournalisten vor Barcelona unterwegs gewesen, berichtet Schöchl. "Dabei hat sich gezeigt, dass das Boot auch am Meer genial durch die Welle fährt. Die neue Bugkonstruktion sieht nicht nur toll aus, sondern reduziert auch die unerwünschten Nickbewegungen."

Der durch die 32.1 initiierte Unternehmensneustart sorgte aber nicht nur für positives mediales Echo, auch wirtschaftlich hat sich der Mut zum Risiko schon jetzt ausgezahlt. "Wenn ich vor ein, zwei Jahren auf so manche Kritik gehört hätte, stünden wir jetzt definitiv schlechter da", ist sich Andreas Schöchl sicher. Laut Kalkulation braucht es etwa 17 verkaufte Exemplare, um die erheblichen Investitionen in die Neukonzeption des Bootes zu erwirtschaften. Nur wenige Monate nach der Weltpremiere des Prototyps im August am Mattsee hält man aktuell bereits bei 34 verkauften Booten. "Wir befinden uns nun in der komfortablen Situation, dass wir die kommenden eineinhalb Jahre mit dem Bau bereits verkaufter Boote ausgelastet sind", sagt der Firmenchef.

Um für die Zukunft gerüstet zu sein, wurde bei der familieninternen Staffelübergabe nicht nur die Mitarbeiterzahl reduziert, jeder einzelne Prozess, jede Struktur wurde auf ihre Kosteneffizienz hin durchleuchtet. Am Ende dieser "Neuerfindung" steht das Unternehmen Sunbeam internationaler, aber gleichzeitig auch regionaler da. "Als produzierendes Unternehmen stehen wir in Österreich schon unter massivem Kostendruck." Aus diesem Grund kommen beispielsweise die Masten für die neue Sunbeam 32.1 aus Frankreich, die Ruderanlagen aus Dänemark und die Beschläge aus Italien und England. Aber auch regionale Betriebe seien langjährige Partner, allen voran Raudaschl Nautic vom Wolfgangsee, woher die hochqualitativen Segel stammen. Natürlich sei man grundsätzlich in der Lage, alles inhouse zu produzieren. Doch im Wettbewerb würde man dann ein Preisniveau erreichen, bei dem die Kunden nicht mehr bereit wären, den Mehrwert von "Made in Austria" zu bezahlen, betont Schöchl.

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