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Klein wird wieder fein: Mikromobilität im Aufschwung

Wohin man auch blickt, arbeiten Hersteller mit voller Energie an neuen Klein(st)fahrzeugen. Ob Marktführer, Start-up oder Zulieferer - das unterste Marktsegment ist plötzlich heiß umkämpft.

Knutschkugel aus der Schweiz: Der Microlino soll ab 2021 in Italien vom Band laufen.
Knutschkugel aus der Schweiz: Der Microlino soll ab 2021 in Italien vom Band laufen.

Nach der Krise kommt das Wirtschaftswunder. So war es nach dem Zweiten Weltkrieg - und geht es nach der aktuell arg gebeutelten Automobilbranche, so darf das gerne auch nach der Coronapandemie der Fall sein. Doch schon in der Nachkriegszeit war aller Anfang bekanntlich schwer. Da konventionelle Pkw anfangs im Europa der 1950er-Jahre nur für die allerwenigsten erschwinglich waren, kam es zum Aufschwung der sogenannten Rollermobile - kleine, leichte Fahrzeuge auf Basis aufgemotzter Motorrad-Fahrwerke, nicht selten auf drei Rädern unterwegs und von luftgekühlten Einzylinder-Zweitaktmotoren angetrieben. Der Mangel an Ressourcen und finanziellen Mitteln führte zu einer Vielzahl teils skurriler, auf jeden Fall aber kreativer Konstruktionen, von denen die BMW Isetta, das Goggomobil oder der Messerschmitt Kabinenroller die berühmtesten Vertreter sind.

Mikromobilität aus der Schweiz

Unter dem Stichwort Mikromobilität tauchten in den vergangenen Jahren immer öfter Studien und Konzepte sogenannter Kleinstfahrzeuge auf den großen Autoshows auf. Der wohl bekannteste Vertreter dieser "neuen Bescheidenheit" ist zweifellos der Microlino aus der Schweiz: Aufbauend auf dem ikonischen Design der Isetta von 1955 stellte das Start-up Micro Mobility auf dem Genfer Automobilsalon 2016 die Neuauflage des kultigen Kabinenrollers vor. Dem ursprünglich geplanten Produktionsstart Anfang 2018 kam allerdings ein Rechtsstreit in die Quere. Das ursprünglich mit dem Bau des Microlino beauftragte Unternehmen TMI wurde zur Unzeit an den deutschen Hersteller Artega verkauft. Dort plante man dann plötzlich, einen eigenen Elektrokabinenroller unter dem Namen Karo zu bauen. Der daraus entstehende Rechtsstreit wurde erst im November vergangenen Jahres beigelegt. Während der Karo "in Kürze" erhältlich sein soll, stellten die Schweizer Anfang März die überarbeitete Version des Microlino vor, der nun ab 2021 als 2,4 Meter kurzes und 513 Kilogramm leichtes Elektroauto zum Preis von rund 12.000 Euro auf den Markt kommen soll. Bei einer maximalen Geschwindigkeit von 90 km/h soll der Microlino - je nach Akkugröße - zwischen 125 und 200 Kilometer weit fahren und dabei genug Platz für zwei Erwachsene und drei Bierkisten bieten.

Hintereinander statt nebeneinander Platz nehmen

Unabhängig davon, ob es die Schweizer Knutschkugel tatsächlich demnächst auf die Straße schafft, scheint die Zeit tatsächlich reif für eine neue Form der Mikromobilität abseits der zuletzt gleichermaßen gehypten wie gehassten Elektroscooter. Als einer der Vorreiter in Sachen Kleinstfahrzeuge hat sich in jüngster Vergangenheit die Volkswagen-Tochter Seat hervorgetan. Glaubt man den Gerüchten, so soll der 2019 auf dem Mobile World Congress in Barcelona vorgestellte Seat Minimó, ein vollelektrisches Ministadtauto, bei dem zwei Insassen hintereinandersitzen können, tatsächlich in Serie gehen. Anders als die Schweizer hat man in Spanien vor allem urbane Carsharing-Anbieter als Hauptzielgruppe ins Auge gefasst. Der Vorteil des Minimó: Ist der Akku mit einer Reichweite von 100 Kilometern einmal leer, kann die im Fahrzeugboden untergebrachte Batterie innerhalb von Sekunden ausgetauscht werden.

Auch in Frankreich glaubt man an die Zukunft der Mikro-Autos. Die Traditionsmarke Citroën stellte Anfang des Jahres in Paris mit dem Ami ein Fahrzeug für Stadtzentren des 21. Jahrhunderts vor. Neben einem ziemlich avantgardistischen Design bietet der Citroën Ami 70 Kilometer Reichweite, ein maximales Tempo von 45 km/h sowie null Emissionen. Der gerade einmal 5,5 kWh große Lithium-Ionen-Akku soll in lediglich drei Stunden an jeder Haushaltssteckdose aufgeladen werden.

Doch nicht nur junge Start-ups und etablierte Branchengrößen planen extrakleine Neuheiten. Auch Magna-Gründer und Ex-Politiker Frank Stronach, mittlerweile stolze 88 Jahre alt, plant die Rückkehr zu seinen Wurzeln und hat eigenen Angaben zufolge ein Mini-Elektroauto namens Elvy entwickelt. Der von Stronach persönlich entworfene Einsitzer ist nur zwei Meter lang, einen Meter breit und soll ab 2021 zum Kampfpreis von 2000 Euro zu haben sein.