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Kraftakt auf hoher See

Die internationale Schifffahrt soll klimaneutral werden. Die Suche nach Alternativen für Schweröl-Verbrennungsmotoren läuft auf Hochtouren.

90 Prozent der international gehandelten Güter werden per Schiff transportiert. Das verursacht jährlich 940 Millionen Tonnen CO<strong><Tiefstellen>2</Tiefstellen></strong>.
90 Prozent der international gehandelten Güter werden per Schiff transportiert. Das verursacht jährlich 940 Millionen Tonnen CO<strong><Tiefstellen>2</Tiefstellen></strong>.

Die E-Auto-Verkaufszahlen auf neuen Rekordhöhen, immer mehr neue Nachtzugverbindungen quer durch Europa und Elektro-Bikes sind sowieso bis auf Weiteres ausverkauft. Konzentriert man sich auf die guten Nachrichten zum Thema Mobilität, man könnte meinen, die Welt hätte den Turnaround in eine klimaneutrale Zukunft längst geschafft.

Doch leider machen ein paar Tausend strombetriebene Autos mehr oder weniger angesichts der aktuell 5,1 Millionen in Österreich angemeldeten Pkw in Sachen Gesamtemissionen des Verkehrs (noch) kaum einen Unterschied. Dazu kommen weitere 2,1 Millionen, praktisch ausschließlich fossil angetriebene Nutzfahrzeuge, deren CO2-Emissionen aufgrund der vielfach längeren Betriebsdauer auf Jahre hinaus in astronomischen Höhen zu bleiben drohen.

klimafreundlicher Schwerverkehr

Dass der Verkehr schnellstmöglich klimafreundlich werden muss, ist bekannt. Während der Umstieg auf klimaschonendere Technologien beim Pkw kaum mehr aufzuhalten sein dürfte, verläuft der Paradigmenwechsel im Schwerverkehr naturgemäß deutlich langsamer. Je größer und damit kapitalintensiver das Verkehrsmittel, umso teurer und damit langwieriger wird die Transformation. Dennoch vergeht aktuell kaum ein Tag ohne Schlagzeilen zu neuen Versuchen zu Brennstoffzellen-Lkw oder Praxistests mit Elektro-Zugfahrzeugen. Und sogar beim Flugverkehr scheint ein Green Deal langfristig betrachtet nicht mehr gänzlich ausgeschlossen zu sein.

Schiffe als Dreckschleudern

Ganz anders sieht die Sache beim Schiffverkehr aus. 90 Prozent der international gehandelten Güter werden per Schiff transportiert. Mit einem jährlichen Ausstoß von 940 Millionen Tonnen Kohlendioxid verursacht die Seeschifffahrt drei Prozent der globalen Emissionen. Laut einem Bericht der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) und der Europäischen Umweltagentur (EEA) aus dem vergangenen Herbst waren Schiffe im Jahr 2018 für 13,5 Prozent aller vom Verkehr in der EU verursachten Treibhausemissionen verantwortlich. Der Flugverkehr lag mit 14,4 Prozent nur knapp darüber. Große Fracht- und Containerschiffe fahren heute überwiegend immer noch mit Schweröl. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um ein Abfallprodukt aus der Raffinerie, das pro Liter nur etwa 13 Cent kosten. Dafür enthält die teerartige Masse deutlich mehr Schwefel und andere Schadstoffe, darunter Schwermetalle, als Kraftstoffe, die an Land eingesetzt werden. Schiffe sind demnach, bezogen auf ihre Abgaswerte, schlimme Dreckschleudern. Entsprechend belasten die Schiffabgase die Luftqualität in Hafenstädten und Küstenregionen besonders mit Schwefeloxiden, Stickstoffoxiden sowie Ruß und Feinstaub.

Während an Land bereits vor Jahrzehnten die ersten Emissionsschutzgesetze beschlossen wurden, war das offene Meer in Abgasfragen bis vor Kurzem ein nahezu gesetzloser Raum. Erst seit 2020 gelten neue Regeln für den Schiffverkehr. Seither sollen Schiffe nur noch Treibstoff mit höchstens einem halben Prozent Schwefelanteil tanken dürfen. So hat es die International Maritime Organization (IMO) beschlossen, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Statt schwefelarmen Kraftstoff zu tanken, der bei den aktuellen Preisen pro Tankfüllung schnell 20.000 Dollar teurer ist als Schweröl, können die Reeder auf ihren Schiffen aber auch sogenannte Scrubber einbauen, also Abgasreinigungsanlagen. Auch dann gelten die Vorschriften als erfüllt. Das Problem dabei: Scrubber nutzen Meerwasser, um die bei der Verbrennung entstehenden Abgase zu "beregnen" und das Schwefeldioxid zu binden. Nicht selten leiten die Systeme das Wasser mit den Schadstoffen einfach wieder zurück ins Meer, anstatt diese zu sammeln und im nächsten Hafen ordnungsgemäß zu entsorgen.

Schwierigkeiten liegen im Detail

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, will die IMO die CO2-Emissionen bis 2050 halbieren (bezogen auf 2008). Der Welt-Reederverband ICS drängt sogar auf Klimaneutralität bis 2050. Die Schwierigkeit liegt allerdings im Detail. Wie auch beim grenzüberschreitenden Flugverkehr werden die Emissionen auf hoher See keinem Verursacherstaat zugeschrieben und daher nicht bei der Entwicklung der nationalen Klimaziele berücksichtigt. Der Handlungsbedarf ist allerdings enorm: Ohne Umstieg auf alternative Treibstoffe könnte der Treibhausgasausstoß laut Schätzungen bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 250 Prozent steigen. Grund dafür ist der zu erwartende Boom des Warentransports auf dem Seeweg, der bis 2050 voraussichtlich auf das Dreifache im Vergleich zum Jahr 2015 steigen dürfte.

wenige Alternativen

Als einfachste Treibstoffalternative bietet sich verflüssigtes Erdgas (LNG) an. Verglichen mit Schweröl ist der Ausstoß an Treibhausgasen um bis zu ein Viertel geringer. Allerdings ist LNG, das hauptsächlich aus Methan besteht, 25 Mal klimaschädlicher als CO2. Ein kleines Leck im Tank genügt also, um den Klimavorteil zunichte zu machen. Eine weitere Möglichkeit stellt Methanol dar. Die existierenden Schiffe könnten relativ einfach auf Alkoholverbrennung umgestellt werden und auch die Lagerung wäre verhältnismäßig simpel. Ein Anfang ist immerhin bereits gemacht: Seit 2015 wird Methanol auf der Fähre "Stena Germanica" zwischen Kiel und Göteborg verwendet. Die dänische Reederei Maersk hat zudem acht große Containerschiffe mit Methanolantrieb beim Hersteller Hyundai bestellt. Die Lieferung ist für 2024 geplant. Doch auch Methanol birgt Nachteile. Während für die Herstellung von Wasserstoff große Mengen an regenerativer Energie benötigt werden, braucht man für den zweiten Rohstoff Kohlenstoff Unmengen an Biomasse. Oder man verwendet stattdessen das in der Handhabung vielfach gefährlichere Ammoniak. Wasserstoff ist als dritte Option noch schwerer in Tanks lagerbar als Erdgas und ist noch leichter entzündlich.

Welche der drei Treibstoffalternativen sich durchsetzen wird, kann derzeit keiner vorhersagen. Fest steht allerdings, dass die Umstellung auf klimaneutrale Treibstoffe in jedem Fall zusätzliche Mehrkosten verursachen wird. Laut einer Studie der ETH Zürich müssten die Schiffe in Zukunft rund drei Prozent weniger Ladung an Bord nehmen, um Platz für die neuen Treibstoffe und Motoren zu schaffen. Allein diese Umstellung würde den Gesamtstromverbrauch in Europa um vier bis acht Prozent steigen. Dazu kämen Betriebskosten, die laut Schätzungen zwei bis sechs Mal höher wären als aktuell. Eine mögliche Lösung, um die ökonomische Herausforderung zu stemmen, wären laut den Schweizer Forschern modulare Energiesysteme. Diese könnten für jede Fahrt so ausgestattet sein, wie es für die Länge der Fahrt und die Auslastung angemessen ist. Bisher haben moderne Frachtschiffe stets ausreichend Treibstoff für die größtmögliche Distanz geladen.

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