SN.AT / Leben / Mobilität

Tesla startete den Bau-Turbo

Wie es möglich war, in knapp zwei Jahren eine Autofabrik in Deutschland zu bauen.

Lärmgeplagte Orte warten jahrelang auf Umgehungsstraßen, der Bau neuer Bahnschnellstrecken dauert schon einmal zwei Jahrzehnte. Und im deutschen Brandenburg baut US-Milliardär Elon Musk ein Autowerk in Rekordtempo: Von der Standortwahl im November 2019 bis zur fertigen Fabrik in knapp zwei Jahren. Erste Autos sollen noch 2021 vom Band rollen.

Wie ist der Bau des Tesla-Werks in zwei Jahren möglich?

Ließen sich auch dringend benötigte Bahntrassen, Windparks oder Umgehungsstraßen schneller bauen?

Zunächst einmal hatte Musk ein paar Vorteile, die so nicht immer zusammenkommen: Es gab bereits einen Bebauungsplan für ein Autowerk, erstellt vor 20 Jahren, als die Gemeinde BMW anlocken wollte. Die Fläche von 300 Hektar gehörte nur einem Eigentümer: dem Land Brandenburg. Auf dem Gelände standen Fichten in Monokultur für die Industrie. Es liegt an einer Autobahnabfahrt und verfügt über einen Gleisanschluss. Und Tesla-Chef Musk ging mit der US-Mentalität des Einfach-Machens an die Sache heran - das Risiko des Scheiterns inbegriffen.

Verwunderlich: Das Werk ist praktisch fertig, die Roboter, Lackierstraßen, Pressen stehen, doch es gibt noch keine abschließende Genehmigung des Umweltministeriums. Tesla hat mit 19 vorläufigen Teilgenehmigungen gebaut.

Für Klaus Joachim Grigoleit, Professor für Raumplanungs- und Umweltrecht an der Technischen Universität Dortmund, ist die Tesla-Baustelle nichts Besonderes. "Viele Großprojekte in Deutschland werden mit Teilgenehmigungen gebaut", sagt er. Sonst dauere es noch deutlich länger, sie umzusetzen. Möglich macht das ein besonderes Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, das für große Projekte wie Autofabriken, Kraftwerke, Windparks gilt.

Gerade bei Tesla wirkt es, als wolle die SPD-geführte Landesregierung auf jeden Fall das Werk haben und genehmige deshalb alle Teilschritte - völlig losgelöst von der gerade laufenden Bürgeranhörung und den 813 Einwänden.

"Grundsätzlich setzt eine Teilgenehmigung voraus, dass die Gesamtprognose für das Projekt positiv ist", sagt Grigoleit. Aber: Falls bei der Bürgerbeteiligung etwas auftaucht, das vorher nicht bekannt gewesen ist, und die Gesamtprognose dadurch negativ wird, kann die Behörde alle Genehmigungen aufheben. Für Tesla hieße das: Abriss der Fabrik, geschätzte Kosten 100 Millionen Euro.

Musk geht das Risiko eines nachträglichen Abrisses ein

Dieses Risiko geht Firmenchef Musk ein. Für ihn ist wichtig, möglichst schnell Fahrzeuge in Europa zu bauen, weil die Nachfrage rasant steigt und die Konkurrenz aufholt. Bisher werden die Fahrzeugteile aus den USA nach Rotterdam verschifft und dort montiert. In Brandenburg soll das Elektro-SUV Model Y gebaut werden. Zum Vergleich: Bei einem Windpark dauert es üblicherweise vom Plan bis zum Netzanschluss sechs Jahre.

Werden privatwirtschaftliche Vorhaben über das Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt, ist bei sogenannten Gemeinwohlprojekten wie Bahnstrecken, Straßen oder Stromtrassen ein umfangreiches Planfeststellungsverfahren nötig. Will etwa die Deutsche Bahn den Brenner-Basistunnel anbinden, die Strecke im Rheintal ausbauen, um den Gotthard-Basistunnel besser anzubinden, oder ein Stromnetzbetreiber neue Überlandleitungen bauen, muss das Unternehmen ein Konzept mit Alternativen einreichen. Das Konzept wird ausgelegt, eine Behörde sammelt Einwände, wägt dann ab, zum Beispiel, ob die Ruhe der Bevölkerung wichtiger ist als die Bahnstrecke, und empfiehlt der Planfeststellungsbehörde eine Entscheidung.

Ein solches Verfahren dauert, weil jeder Einwand geprüft wird. Und weil auf Basis der Entscheidung auch Grundstücke enteignet werden können.

Lässt sich mehr Tempo machen? Auf Rechtssicherheit könne man nicht verzichten, die Bürgerbeteiligung sei weitgehend durch EU-Recht vorgegeben, man könne aber die Prüftiefe vereinfachen, sagt Grigoleit: pauschalere Regeln statt Einzeluntersuchung etwa. Für Stromtrassen wurde gerade ein Beschleunigungsgesetz verabschiedet. Letztlich hänge es aber an Personen: "Wenn kein Drive da ist, ein Projekt durchzuziehen, dauert es einfach sehr, sehr lange."